Hallo ihr Lieben und herzlich Willkommen zum 37. Storybattle in Pooly's Forum!
Heute treten Angoraschka und Scythe gegeneinander an. Sie mussten jeweils eine Kurzgeschichte verfassen, die eine Sterbeszene beinhaltete.
Ihr könnt nun für eine der beiden Kurzgeschichten bis zum 22. Januar 2012 abstimmen.
Die zarten Hände
(geschrieben von Scythe)
Ich bin kein Gott. Ich kann auch nicht wirklich behaupten, dass ich gerne am Leben bin. Mein Schicksal wurde vom Zufall entschieden. Täglich wache ich aus meinem bodenlosen Schlaf auf, wasche mich, füttere meinen gesprächlosen Kater, gehe in die Arbeit = Wie ein Mensch eben, ist das Blut, das durch meine Adern fließt, rot und warm. Ich zweifelte nie an meine Existenz, aber als ich in die Augen des Mädchens blickte, blieben die Räder meiner Uhren stehen.
"Warst du das?", fragte sie mich, als ob es das natürlichste der Welt sei. Hier, in einem verlassen aussehenden Parkhaus, wo die Welt für einen Moment stehen geblieben ist.
"Meinst du mich?"
Ich zeigte unschuldig auf meine Brust. Sie hingegen widmete ihre Aufmerksamkeit ihren dunklen Locken wieder zu, aber ich war mir sicher, dass sie noch zuhörte, denn sie nickte eifrig.
"Entschuldige, aber ich bin gerade um die Ecke gekommen und–"
Plötzlich erhob sie ihre spitze Stimme: "Nein!"
Ich sah mich verwirrt und etwas beschämend nach vorbei streunenden Mitmenschen – oder ihre Mutter – um, aber wir waren völlig allein. Stattdessen sah ich, wie dicker, dunkler Rauch aus den zerbrochenen Fenstern eines zerstörten Autos quoll und unsere Luft mit Ruß schwängerte. Das Mädchen zog an meinem neuen Anzug, bis ich dachte eine Naht sei geplatzt.
"Warum hast du das gemacht?"
"Hör mal Kleine, ich weiß nicht wovon du sprichst!"
Das wusste ich wirklich nicht. Normalerweise habe ich die Situation besser unter Kontrolle, selbst mit einem Hangover. Die Kleine wurde immer ungeduldiger und ich sah, wie ihre Augen voll Tränen zu glänzen begannen.
"Mama wollte doch nur zum Automaten hin."
Im selben Augenblick erklang der laute Angstschrei einer Frau, die auf uns zu rannte. Die Weite der leeren Parkanlage kam mir plötzlich so breit wie der Horizont vor und obwohl die Frau lief, wurde sie immer kleiner.
"Mama!", rief die Kleine, rührte sich aber keinen Zentimeter, sondern klammerte ihre kleinen, zarten Finger um den rauen Stoff meines grauen Anzugs, wie ein Ertrinkender der nach Luft schnappte. Sie ballte ihre Hand zu einer kleinen Faust und begann am ganzen Körper zu zittern. Sie murmelte die ganze Zeit nach ihrer Mutter, die sich bereits in ihren Tränen und Schreien völlig aufgelöste hatte. Erst dann begann der Feueralarm zu Leuten.
"Ach, du bist es die ich …", sagte ich hinunter zu dem kleinen Mädchen. Sie vergrub ihr Gesicht nun in meine Hose. Toll, der teure Stoff saugte ihre Tränen auf wie ein Schwamm, stahl ihm langsam aber sicher den Zauber.
"M–Mama … lässt … mich …" Sie tat sich schwer damit Tränen, Schluchzer und Wörter von einander zu trennen. Irgendwann fand sie aber einen Mittelweg und fuhr weiter fort.
"Sie lässt mich immer alleine im Auto. Aber nie lange …"
"Ich verstehe", log ich und berührte ihren lockigen Schopf mit meiner rauen Hand. Nach und nach kamen mehr Menschen hinzu, nachdem sich die Stille der Explosion davon zog wie ein dichter Nebel. Das Mädchen und ich standen außerhalb von dem Menschenzirkel der sich vor unseren Augen bildete. Es dauerte nicht lange und das ganze Parkhaus war überfüllt mit Menschen und großen Automobilen. Ich zog das Mädchen nun an mich, dann hob ich sie selbstverständlich auf.
"Normalerweise muss ich euch immer aus dem toten Körper heraus ziehen", sagte ich zu ihr, in der Hoffnung, dass sie die Bedeutung meiner Wörter verstand. Sie antwortete mir nicht. Ich nahm mal an, dass sie nicht mehr fähig war einen menschlichen Gedanken zu fassen. Aber die Kraft in ihren Armen war bemerkenswert, selbst in ihrem jetzigen Zustand. Und dann – ganz unerwartet – sprach sie ihre letzten Worte aus:
"Warum hast du das gemacht?"
Diesmal kannte ich die Antwort auf ihre Frage.
"Weil ich kein Gott bin."
Heute treten Angoraschka und Scythe gegeneinander an. Sie mussten jeweils eine Kurzgeschichte verfassen, die eine Sterbeszene beinhaltete.
Ihr könnt nun für eine der beiden Kurzgeschichten bis zum 22. Januar 2012 abstimmen.
Die zarten Hände
(geschrieben von Scythe)
Ich bin kein Gott. Ich kann auch nicht wirklich behaupten, dass ich gerne am Leben bin. Mein Schicksal wurde vom Zufall entschieden. Täglich wache ich aus meinem bodenlosen Schlaf auf, wasche mich, füttere meinen gesprächlosen Kater, gehe in die Arbeit = Wie ein Mensch eben, ist das Blut, das durch meine Adern fließt, rot und warm. Ich zweifelte nie an meine Existenz, aber als ich in die Augen des Mädchens blickte, blieben die Räder meiner Uhren stehen.
"Warst du das?", fragte sie mich, als ob es das natürlichste der Welt sei. Hier, in einem verlassen aussehenden Parkhaus, wo die Welt für einen Moment stehen geblieben ist.
"Meinst du mich?"
Ich zeigte unschuldig auf meine Brust. Sie hingegen widmete ihre Aufmerksamkeit ihren dunklen Locken wieder zu, aber ich war mir sicher, dass sie noch zuhörte, denn sie nickte eifrig.
"Entschuldige, aber ich bin gerade um die Ecke gekommen und–"
Plötzlich erhob sie ihre spitze Stimme: "Nein!"
Ich sah mich verwirrt und etwas beschämend nach vorbei streunenden Mitmenschen – oder ihre Mutter – um, aber wir waren völlig allein. Stattdessen sah ich, wie dicker, dunkler Rauch aus den zerbrochenen Fenstern eines zerstörten Autos quoll und unsere Luft mit Ruß schwängerte. Das Mädchen zog an meinem neuen Anzug, bis ich dachte eine Naht sei geplatzt.
"Warum hast du das gemacht?"
"Hör mal Kleine, ich weiß nicht wovon du sprichst!"
Das wusste ich wirklich nicht. Normalerweise habe ich die Situation besser unter Kontrolle, selbst mit einem Hangover. Die Kleine wurde immer ungeduldiger und ich sah, wie ihre Augen voll Tränen zu glänzen begannen.
"Mama wollte doch nur zum Automaten hin."
Im selben Augenblick erklang der laute Angstschrei einer Frau, die auf uns zu rannte. Die Weite der leeren Parkanlage kam mir plötzlich so breit wie der Horizont vor und obwohl die Frau lief, wurde sie immer kleiner.
"Mama!", rief die Kleine, rührte sich aber keinen Zentimeter, sondern klammerte ihre kleinen, zarten Finger um den rauen Stoff meines grauen Anzugs, wie ein Ertrinkender der nach Luft schnappte. Sie ballte ihre Hand zu einer kleinen Faust und begann am ganzen Körper zu zittern. Sie murmelte die ganze Zeit nach ihrer Mutter, die sich bereits in ihren Tränen und Schreien völlig aufgelöste hatte. Erst dann begann der Feueralarm zu Leuten.
"Ach, du bist es die ich …", sagte ich hinunter zu dem kleinen Mädchen. Sie vergrub ihr Gesicht nun in meine Hose. Toll, der teure Stoff saugte ihre Tränen auf wie ein Schwamm, stahl ihm langsam aber sicher den Zauber.
"M–Mama … lässt … mich …" Sie tat sich schwer damit Tränen, Schluchzer und Wörter von einander zu trennen. Irgendwann fand sie aber einen Mittelweg und fuhr weiter fort.
"Sie lässt mich immer alleine im Auto. Aber nie lange …"
"Ich verstehe", log ich und berührte ihren lockigen Schopf mit meiner rauen Hand. Nach und nach kamen mehr Menschen hinzu, nachdem sich die Stille der Explosion davon zog wie ein dichter Nebel. Das Mädchen und ich standen außerhalb von dem Menschenzirkel der sich vor unseren Augen bildete. Es dauerte nicht lange und das ganze Parkhaus war überfüllt mit Menschen und großen Automobilen. Ich zog das Mädchen nun an mich, dann hob ich sie selbstverständlich auf.
"Normalerweise muss ich euch immer aus dem toten Körper heraus ziehen", sagte ich zu ihr, in der Hoffnung, dass sie die Bedeutung meiner Wörter verstand. Sie antwortete mir nicht. Ich nahm mal an, dass sie nicht mehr fähig war einen menschlichen Gedanken zu fassen. Aber die Kraft in ihren Armen war bemerkenswert, selbst in ihrem jetzigen Zustand. Und dann – ganz unerwartet – sprach sie ihre letzten Worte aus:
"Warum hast du das gemacht?"
Diesmal kannte ich die Antwort auf ihre Frage.
"Weil ich kein Gott bin."
VERSUS
Wir schreiben, um zu leben
(geschrieben von Angoraschka - Gewinnergeschichte)
(geschrieben von Angoraschka - Gewinnergeschichte)
Wir schreiben uns den Tod, wie wir ihn brauchen: Hoffnungsvoll oder hoffnungslos, einsam oder episch, als Strafe oder als Erlösung. Er ist unser Kunstgriff, unser letztes Ass im Ärmel, unser finaler Triumph, unsere große Chance. Manchmal machen wir ihn menschlich, voller Witz und manchmal düster und voller Geheimnisse. Er ist unsere moralische Instanz, die uns daran erinnert, dass wir alle nur Menschen sind und alle dem gleichen Schicksal erliegen werden. Es gibt ihn bei Sophokles und Poe, bei Tizian und Dalí, bei Mozart und John Williams. Es gibt so viele Möglichkeiten ihn zu beschreiben und ihm eine Bühne zu geben. Aber wenn wir dann wirklich vor ihm stehen, vor diesem letzten Augenblick, dann sind wir sprachlos. Dann hilft kein großer Dialog mehr, kein noch so grandioser Monolog oder gar die erlebte Rede. Alle Worte versiegen, weil sie niemals ausreichen würden, um das zu beschreiben, was uns in diesem Moment bewegt. Was sagt man zu einem geliebten Menschen, den man nie wieder sehen wird, der uns für immer verlässt?
Was sagt man zu einem verhassten Menschen, den man nun nie wieder sehen muss?
Und was zu einem Menschen, der uns eigentlich egal ist?
Die Hände in den Taschen vergraben ging ich durch die vertrauten Straßen, hielt hier oder da einmal an, um Erinnerungen nachzuhängen. Vielleicht machte mich der Gedanke an den Tod melancholisch, vielleicht war es auch das Bewusstsein, wie schnell das Leben an mir vorbeizog und wie wenig Zeit ich mir für die einfachen und kleinen Dingen nahm, die mich früher mit so viel Ruhe erfüllt hatten. Ich kam an der Wohnung meiner Großmutter vorbei. Wie immer blieb ich kurz stehen, um die neuen Vorhänge zu betrachten, die Topfpflanzen zu zählen und sie mit meiner Erinnerung zu vergleichen. Wie immer beobachtete ich all die kleinen Veränderungen, die nach ihrem Auszug passiert waren. Als meine Großmutter starb, war ich nicht bei ihr. Ich hatte mich schon vorher von ihr verabschiedet, alleine und leise in diesem Zimmer bei meinem Onkel, das Zimmer in das sie nie gepasst, in dem sie wie eine Fremde gewirkt hatte. Ich hatte nicht sagen können, ob sie mich wirklich verstanden hatte, aber ich wollte es ihr ein letztes Mal sagen, so wie ich es immer getan hatte, wenn ich aus der Tür ging. Jedes Mal war ich noch einmal umgedreht, um sanft die Arme um sie zu legen, ihre faltige Wange zu küssen und ihr leise ins Ohr zu sagen:
"Ich liebe dich."
Es war ihr Lächeln, was mir das Herz aufgehen ließ und es waren ihre Tränen, die es mir in gleichen Moment zerrissen.
Ich war nicht da, als sie starb.
Was war es für ein Tag gewesen? So wie heute mit schneidendem Wind? Oder schien die Sonne? Nicht einmal an den Anruf meines Vaters konnte ich mich richtig erinnern. Gott, das alles war so lange her und dennoch schien sie gleich hinter den Gardinen auf mich zu warten. Ich blieb noch eine Weile so stehen und sah zu dem Fenster hinauf, bis die Kälte mich weiter trieb. Sie erinnerte mich daran, dass es hier nichts mehr für mich gab außer Erinnerungen und meinem eigenen Sterben.
Der Tod hat nichts Dramatisches, er still und unbemerkt, reißt unsichtbare Wunden, die mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Er wird zu einem dumpfen Pochen, das uns bei Zeiten heimsucht. Mit jedem Menschen, der uns nahe steht, sterben auch wir ein Stück, solange bis nichts mehr übrig ist, was noch sterben kann. Am Ende bleibt nichts als ein Name, der wie Sand zerrinnt. Wir vergehen, wie wir leben, mit all unserer Mittelmäßigkeit und unserer kleine Welt, unbemerkt vom Rest, ja selbst von den Menschen, die uns kannten. Entscheidend ist, wer am Ende bei uns ist und uns unsere Fehler verzeiht, wer uns trotzdem liebt.
Ich blieb stehen und sah durch die Äste der Bäume die den grau verhangenen Himmel umspannten wie ein Netz. Ich blieb stehen und atmete tief die eisige Luft ein, spürte die Leere, die der Tod all jener Menschen hinterlassen hatte, die ich einst geliebt hatte.
Ich blieb stehen und starb ein letztes Mal gemeinsam mit ihnen.
Was sagt man zu einem verhassten Menschen, den man nun nie wieder sehen muss?
Und was zu einem Menschen, der uns eigentlich egal ist?
Die Hände in den Taschen vergraben ging ich durch die vertrauten Straßen, hielt hier oder da einmal an, um Erinnerungen nachzuhängen. Vielleicht machte mich der Gedanke an den Tod melancholisch, vielleicht war es auch das Bewusstsein, wie schnell das Leben an mir vorbeizog und wie wenig Zeit ich mir für die einfachen und kleinen Dingen nahm, die mich früher mit so viel Ruhe erfüllt hatten. Ich kam an der Wohnung meiner Großmutter vorbei. Wie immer blieb ich kurz stehen, um die neuen Vorhänge zu betrachten, die Topfpflanzen zu zählen und sie mit meiner Erinnerung zu vergleichen. Wie immer beobachtete ich all die kleinen Veränderungen, die nach ihrem Auszug passiert waren. Als meine Großmutter starb, war ich nicht bei ihr. Ich hatte mich schon vorher von ihr verabschiedet, alleine und leise in diesem Zimmer bei meinem Onkel, das Zimmer in das sie nie gepasst, in dem sie wie eine Fremde gewirkt hatte. Ich hatte nicht sagen können, ob sie mich wirklich verstanden hatte, aber ich wollte es ihr ein letztes Mal sagen, so wie ich es immer getan hatte, wenn ich aus der Tür ging. Jedes Mal war ich noch einmal umgedreht, um sanft die Arme um sie zu legen, ihre faltige Wange zu küssen und ihr leise ins Ohr zu sagen:
"Ich liebe dich."
Es war ihr Lächeln, was mir das Herz aufgehen ließ und es waren ihre Tränen, die es mir in gleichen Moment zerrissen.
Ich war nicht da, als sie starb.
Was war es für ein Tag gewesen? So wie heute mit schneidendem Wind? Oder schien die Sonne? Nicht einmal an den Anruf meines Vaters konnte ich mich richtig erinnern. Gott, das alles war so lange her und dennoch schien sie gleich hinter den Gardinen auf mich zu warten. Ich blieb noch eine Weile so stehen und sah zu dem Fenster hinauf, bis die Kälte mich weiter trieb. Sie erinnerte mich daran, dass es hier nichts mehr für mich gab außer Erinnerungen und meinem eigenen Sterben.
Der Tod hat nichts Dramatisches, er still und unbemerkt, reißt unsichtbare Wunden, die mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Er wird zu einem dumpfen Pochen, das uns bei Zeiten heimsucht. Mit jedem Menschen, der uns nahe steht, sterben auch wir ein Stück, solange bis nichts mehr übrig ist, was noch sterben kann. Am Ende bleibt nichts als ein Name, der wie Sand zerrinnt. Wir vergehen, wie wir leben, mit all unserer Mittelmäßigkeit und unserer kleine Welt, unbemerkt vom Rest, ja selbst von den Menschen, die uns kannten. Entscheidend ist, wer am Ende bei uns ist und uns unsere Fehler verzeiht, wer uns trotzdem liebt.
Ich blieb stehen und sah durch die Äste der Bäume die den grau verhangenen Himmel umspannten wie ein Netz. Ich blieb stehen und atmete tief die eisige Luft ein, spürte die Leere, die der Tod all jener Menschen hinterlassen hatte, die ich einst geliebt hatte.
Ich blieb stehen und starb ein letztes Mal gemeinsam mit ihnen.