Ich heiße euch herzlich Willkommen in der Arena, zum 31. Battle von Poolys Kunst- und Schreibforum.
Heute treten die beiden begabten Schreiberlinge Mrs. Beth und Angoraschka mit einer Kurzgeschichte gegeneinander an. Das Thema lautete "We are only pretending (Wir tun nur so)".
Ihr habt zwei Wochen Zeit um abzustimmen - also bis zum 21. Juni - wer von den beiden als Sieger die Arena verlassen soll.
Mit den folgenden Werken treten die beiden gegeneinander an:
Wieder hier. In der verrauchten Bar, an einem der vernarbten Tische sitzend, in denen Namen schon vor langer Zeit tief eingraviert wurden. Die Lampenschirme und Wände gelb vom Zigarettenrauch, der wie Nebel im Raum hängt. Gespräche summen, Gläser klirren, Getränken fließen plätschernd.
Ich beobachte ihn. Er sitzt am Kopfende des Tisches, zurückgelehnt, desinteressiert an den Debatten unter den anderen. Seine Lippen legen sich an die Zigarette, die Glut leuchtet auf, er atmet ein, er atmet aus. Der Rauch vermischt sich mit dem, der dick über unseren Köpfen hängt. Wie ein distanzierter Beobachter, sitzt er dort, in Gedanken wo ganz anders. Er hat etwas Ikonenhaftes.
Ich erinnere mich noch genau. Wie er auch letztes Mal da gesessen hatte. Nicht zugehört hatte. Bis einer ihn ansprach.
„Was ist dein Motto, das du dir aufs T-Shirt schreiben würdest?“ Was für eine dumme Frage bei ihm. Ich hatte fast damit gerechnet, dass er nicht antwortet. Langsam hat er den Rauch in die Luft geblasen, nicht nachdenklich, sondern einfach nur der Faszination der Bewegung bewusst.
„Life fast, die young.“ Aus seinem Mund hatte es sich angehört wie ein Vaterunser. Ein Gesetz. Ein Liebesgeständnis.
„Warum das?“, haben sie weiter gefragt.
„Lebe so lange du schön bist, genieße das Leben; jede Sekunde koste aus, als wäre es die Letzte. Denn du wirst nie wieder so jung sein, wie du es heute Nacht bist. Denn wenn die Rose verblüht, hat sie verloren. Es bleiben nur noch die Dornen, unauffällige Blätter, kein Reiz mehr, der die Blicke auf sich zieht.“
„Also soll man sich mit neunundzwanzig umbringen?“
„Du bist schon tot.“ Ich hatte gewusst, wie er es gemeint hat. Es war keine Antwort auf die Frage gewesen, sondern eine Antwort auf die Art, wie die Frage gestellt worden war. Dieser Mensch war schon tot. Er hechelte nur ihm hinterher, hing ihm an den Lippen und stand nicht selbst. Er könnte genauso gut auch unter der Erde liegen.
Ich könnte genauso gut auch unter der Erde liegen. Ich bin es gewesen, der gefragt hatte. Der zu ihm aufgeblickt hatte, wie zu einem Gott. Ich mache es immer noch. Wie er zu leben, wie er zu sehen, wie er zu atmen, wie er zu sein – er zu sein. Er ist frei. Ich will auch frei sein. Wenn ich bin wie er, bin ich frei.
„Ich fürchte nicht den Tod. Er ist die Freiheit.“ Das hatte er ein anderes Mal gesagt.
Ich betrachte den Joint in meiner Hand. Den Alkohol in den Gläsern. Die Kleidung die wir tragen. Der Rauch der uns bedrängt. Der in uns dringt, den wir einatmen, ob wir wollen oder nicht. Der Sex, der nur noch eine rituelle Handlung ist, weil er zur Tradition gehört.
Das war keine Freiheit. Unser Schnappen nach ein wenig Freiheit und Revolution ist nur ein Nachluftholen unter Wasser.
Ich gebe den Joint weiter. Greife in die Tasche. Sie ist so kalt und schwer in meiner Hand. Schweigend halte ich sie unter mein Kinn. Alles wird leer. Unendlich leer. Leere Augen, die sich zu mir wenden. Keine Luft im Raum, nur Rauch und Leere. Leere die zu einem Wesen wird. Die nach mir greift. Leere, wo nichts ist. Nichts was einen halten kann. Freiheit.
„Ich habe schnell gelebt. So schnell, dass die Farben verschwommen sind. Im Rausch. Auf der Suche nach Freiheit. Und nun lasse ich mich fallen. In die Arme der Freiheit.“
Es knallt. Die Fensterscheiben zerspringen. Die leeren Glasaugen zersplittern. Die Gläser zerreißen. Die Leere des Weltalls strömt herein. Es wird schwarz. Und ich falle.
Doch was ich vergaß - der freie Fall ist nicht die Freiheit des Fliegens.
Die Leere nach dem Knall, als hätten sich alle Geräusche in ihm konzentriert. Langsam nur kommen sie wieder. Schreie. Hysterie. Sie stürzen alle zu ihm. Er liegt dort am Boden. Blut, Gehirn, ein zerstörtes Gesicht.
Er bleibt als einziger sitzen. Stützt seine Stirn an seine Finger, die Augen geschlossen. Die Zigarette in der Hand; Rauch, der langsam, ungerührt aufsteigt.
„Er ist für das Falsche gestorben. Wir haben doch nur so getan.“
VERSUS
Es war kein spektakulärer Tag. Kein Tag voll von Abenteuer oder großen Errungenschaften, großen Dramen oder großen Worten. Es war ein Tag von der Art, wie es sie zu tausende gibt und von denen es auch noch unzählige geben wird.
Ein kühler Wind streicht durch meine Weste, lässt mich frösteln. Meine Hände vergraben sich in den Taschen, umschließen den Stoff und schützen sich so vor der leichten Kühle, die mich daran erinnert, dass erst Frühling und noch lange nicht Sommer ist.
Und dennoch. Die Sonne strahlt mit warmem, goldenem Licht trotzig gegen die fortschreitende Uhrzeit auf den grauen Asphalt des Bahnhofs, an dem ich angekommen bin.
Der leichte und vertraute Duft von Heimat weht zu mir herüber und meine Lippen verziehen sich zu einem müden, aber erleichterten Lächeln. Kinder drängeln sich an mir vorbei, ihr Lachen dringt durch die Musik, die mir in den Ohren klingt: Getragene Gitarrenklänge begleitet von einer rauchigen Männerstimme, die genauso müde scheint wie ich. Nur langsam mache ich mich auf den Weg hin zum Fahrstuhl, der mich zu der Brücke trägt, über die ich jeden Tag gehe. Ich kenne ihre abgetretene Oberfläche nur zu gut, jeden Fleck, den selbst stärkstes Schrubben nicht mehr fort wischen könnte. Irgendwie hat es etwas Beruhigendes zu wissen, dass manche Dinge sich nicht ändern. Unter mir erstrecken sich die Gleise, bis sie sich im Gewirr der Eisenträger und der Oberleitungen verlieren, nicht mehr unterscheidbar vom waldigen Hintergrund, den felsigen Klüften. Untrennbar verlieren sie sich in all diesen Dingen, die ihre Richtung bestimmen.
Mein Blick gleitet kurz zu den Menschen, die um mich herum ihrer Wege gehen. Es sind nicht viele, denn die Stadt, die nun meine Heimat ist, ist still und verträumt, nicht groß und nicht klein, gerade richtig für mich und meine Sehnsucht nach Leben. Manche werden am Bahnhof begrüßt, lächelnd und mit strahlenden Gesichtern. Andere gehen ungesehen ihrer Wege, verschwiegen, verschlossen. Auch ich gehe alleine, nur begleitet von meinen murmelnden Gedanken. Als ich die Brücke erreichte und der Wind hier oben noch etwas stärker an mir zieht, drehe ich mich um und betrachte die sanften Hügel, deren Bäume in vollem Grün stehen. Das Licht lässt sie erstrahlen, so satt und lebhaft, dass ich für einen Moment inne halte, das Schauspiel genieße. Jedes Mal, wenn ich diesen Anblick bestaunen kann, erfasst mich Ehrfurcht und Liebe für diese natürliche Majestät, diesen Ausdruck reines Lebenswillens, der am Fuße des Flusses geboren wird und sich über die felsigen Höhen erstreckt. Es ist eine seltsame Verbundenheit und dennoch ist sie merkwürdig vertraut. Die meisten würden das wohl langweilig finden, doch nach einem langen Tag voller Anstrengungen und Lärm, gibt es für mich nichts wunderbareres als diesen Augenblick des Innehaltens. Dann bin ich für mich und die Zeit hält für einen Augenblick an, dann fühle ich, was Frieden wirklich bedeuten kann.
Doch natürlich lässt sich die Zeit nicht betrügen. Ein erneutes Reißen des Windes sagt mir, dass ich weiter muss, dass noch viele andere dinge auf mich warten. Also verlasse ich die Brücke und gehe ein paar steinerne Stufen hoch zu dem verlassenen Parkplatz und der leeren Straße. Die Sonne steht tief und ihre goldenen Strahlen werfen meine langen Schatten auf den trockenen Asphalt. Ich muss lächeln, als ich sehe, wie weit ich mich erstrecke, wie ungeduldig mein Schatten mir vorauseilt. An der Ampel hält er mit mir inne, zitternd und abwartend, um dann weiter zu ziehen. Die Straßenschilder erstrahlen gelblich, genauso wie die Fensterscheiben, die hoffnungsvoll das letzte Licht zurückwerfen, das der Himmel ihnen bietet. In der Nacht werden sie von sich aus leuchten, ein Lichtermeer der Stadt, vertraut und doch jedes Mal anders.
Ich biege in meine kleine Straße ein, still und steigend liegt sie vor mir. Hier schlucken die dichten Häuser jeden Lärm der großen Straße weiter unten, heißen dich mit ihren gekachelten Wänden und schrägen Dächern willkommen, selbst das moderne Hochhaus, das weiter oben steht. Wie ein Wächter der neuen Zeit steht es der alten Burg gegenüber, die man noch von Weitem erkennen kann.
Mein Blick ruht nun auf dem Weg, der vor mir liegt. Wie immer gehe ich vorbei an dem Bestattungsunternehmen und dem Haus mit dem Dachstuhl, in dem sich ein paar Schwalben eingenistet haben. Ich höre ihr aufgeregtes Gezwitscher und sehe nach oben, beobachte ihr lebhaftes Treiben, während meine Füße mich weiter fort tragen. Dann stehe ich vor der Haustür, schließe auf, sehe nach der Post und steige die knarrende Holztreppe hinauf. Mein Schlüssel klimpert leise, als ich die Wohnungstür aufschließe und meine Tasche an meinen Schreibtisch stelle. Ich gehe in die Küche, vorbei an den Bildern, die an der Wand hängen und mehr über mich sagen können, als jedes Wort es andeutet. Mit einem leisen Rascheln ziehe ich den Vorhang zu Seite, öffne die Tür und trete auf den Balkon. Wie von selbst finden meine Hände ihren Platz auf dem kalten Eisengitter, während ich tief einatme und weiß, dass ich zu Hause bin.
Es war kein spektakulärer Tag. Kein Tag voll von Abenteuer oder großen Errungenschaften. Es war ein Tag, wie ich sie liebte, einfach und ruhig. Ein Tag an dem ich aufhörte vorzugeben, etwas anderes zu sein, als ich war. Es war ein Tag, an dem das Glück mich an die Hand nahm und wir zusammen einschliefen, einschliefen zu getragenen Gitarrenklängen und einer rauchigen Männerstimme, die genauso müde war wie wir.
Heute treten die beiden begabten Schreiberlinge Mrs. Beth und Angoraschka mit einer Kurzgeschichte gegeneinander an. Das Thema lautete "We are only pretending (Wir tun nur so)".
Ihr habt zwei Wochen Zeit um abzustimmen - also bis zum 21. Juni - wer von den beiden als Sieger die Arena verlassen soll.
Mit den folgenden Werken treten die beiden gegeneinander an:
WE ARE JUST PRETENDING.
(von Beth)
Wieder hier. In der verrauchten Bar, an einem der vernarbten Tische sitzend, in denen Namen schon vor langer Zeit tief eingraviert wurden. Die Lampenschirme und Wände gelb vom Zigarettenrauch, der wie Nebel im Raum hängt. Gespräche summen, Gläser klirren, Getränken fließen plätschernd.
Ich beobachte ihn. Er sitzt am Kopfende des Tisches, zurückgelehnt, desinteressiert an den Debatten unter den anderen. Seine Lippen legen sich an die Zigarette, die Glut leuchtet auf, er atmet ein, er atmet aus. Der Rauch vermischt sich mit dem, der dick über unseren Köpfen hängt. Wie ein distanzierter Beobachter, sitzt er dort, in Gedanken wo ganz anders. Er hat etwas Ikonenhaftes.
Ich erinnere mich noch genau. Wie er auch letztes Mal da gesessen hatte. Nicht zugehört hatte. Bis einer ihn ansprach.
„Was ist dein Motto, das du dir aufs T-Shirt schreiben würdest?“ Was für eine dumme Frage bei ihm. Ich hatte fast damit gerechnet, dass er nicht antwortet. Langsam hat er den Rauch in die Luft geblasen, nicht nachdenklich, sondern einfach nur der Faszination der Bewegung bewusst.
„Life fast, die young.“ Aus seinem Mund hatte es sich angehört wie ein Vaterunser. Ein Gesetz. Ein Liebesgeständnis.
„Warum das?“, haben sie weiter gefragt.
„Lebe so lange du schön bist, genieße das Leben; jede Sekunde koste aus, als wäre es die Letzte. Denn du wirst nie wieder so jung sein, wie du es heute Nacht bist. Denn wenn die Rose verblüht, hat sie verloren. Es bleiben nur noch die Dornen, unauffällige Blätter, kein Reiz mehr, der die Blicke auf sich zieht.“
„Also soll man sich mit neunundzwanzig umbringen?“
„Du bist schon tot.“ Ich hatte gewusst, wie er es gemeint hat. Es war keine Antwort auf die Frage gewesen, sondern eine Antwort auf die Art, wie die Frage gestellt worden war. Dieser Mensch war schon tot. Er hechelte nur ihm hinterher, hing ihm an den Lippen und stand nicht selbst. Er könnte genauso gut auch unter der Erde liegen.
Ich könnte genauso gut auch unter der Erde liegen. Ich bin es gewesen, der gefragt hatte. Der zu ihm aufgeblickt hatte, wie zu einem Gott. Ich mache es immer noch. Wie er zu leben, wie er zu sehen, wie er zu atmen, wie er zu sein – er zu sein. Er ist frei. Ich will auch frei sein. Wenn ich bin wie er, bin ich frei.
„Ich fürchte nicht den Tod. Er ist die Freiheit.“ Das hatte er ein anderes Mal gesagt.
Ich betrachte den Joint in meiner Hand. Den Alkohol in den Gläsern. Die Kleidung die wir tragen. Der Rauch der uns bedrängt. Der in uns dringt, den wir einatmen, ob wir wollen oder nicht. Der Sex, der nur noch eine rituelle Handlung ist, weil er zur Tradition gehört.
Das war keine Freiheit. Unser Schnappen nach ein wenig Freiheit und Revolution ist nur ein Nachluftholen unter Wasser.
Ich gebe den Joint weiter. Greife in die Tasche. Sie ist so kalt und schwer in meiner Hand. Schweigend halte ich sie unter mein Kinn. Alles wird leer. Unendlich leer. Leere Augen, die sich zu mir wenden. Keine Luft im Raum, nur Rauch und Leere. Leere die zu einem Wesen wird. Die nach mir greift. Leere, wo nichts ist. Nichts was einen halten kann. Freiheit.
„Ich habe schnell gelebt. So schnell, dass die Farben verschwommen sind. Im Rausch. Auf der Suche nach Freiheit. Und nun lasse ich mich fallen. In die Arme der Freiheit.“
Es knallt. Die Fensterscheiben zerspringen. Die leeren Glasaugen zersplittern. Die Gläser zerreißen. Die Leere des Weltalls strömt herein. Es wird schwarz. Und ich falle.
Doch was ich vergaß - der freie Fall ist nicht die Freiheit des Fliegens.
Die Leere nach dem Knall, als hätten sich alle Geräusche in ihm konzentriert. Langsam nur kommen sie wieder. Schreie. Hysterie. Sie stürzen alle zu ihm. Er liegt dort am Boden. Blut, Gehirn, ein zerstörtes Gesicht.
Er bleibt als einziger sitzen. Stützt seine Stirn an seine Finger, die Augen geschlossen. Die Zigarette in der Hand; Rauch, der langsam, ungerührt aufsteigt.
„Er ist für das Falsche gestorben. Wir haben doch nur so getan.“
VERSUS
Before Gas and TV
(von Angoraschka - Gewinnergeschichte)
(von Angoraschka - Gewinnergeschichte)
Es war kein spektakulärer Tag. Kein Tag voll von Abenteuer oder großen Errungenschaften, großen Dramen oder großen Worten. Es war ein Tag von der Art, wie es sie zu tausende gibt und von denen es auch noch unzählige geben wird.
Ein kühler Wind streicht durch meine Weste, lässt mich frösteln. Meine Hände vergraben sich in den Taschen, umschließen den Stoff und schützen sich so vor der leichten Kühle, die mich daran erinnert, dass erst Frühling und noch lange nicht Sommer ist.
Und dennoch. Die Sonne strahlt mit warmem, goldenem Licht trotzig gegen die fortschreitende Uhrzeit auf den grauen Asphalt des Bahnhofs, an dem ich angekommen bin.
Der leichte und vertraute Duft von Heimat weht zu mir herüber und meine Lippen verziehen sich zu einem müden, aber erleichterten Lächeln. Kinder drängeln sich an mir vorbei, ihr Lachen dringt durch die Musik, die mir in den Ohren klingt: Getragene Gitarrenklänge begleitet von einer rauchigen Männerstimme, die genauso müde scheint wie ich. Nur langsam mache ich mich auf den Weg hin zum Fahrstuhl, der mich zu der Brücke trägt, über die ich jeden Tag gehe. Ich kenne ihre abgetretene Oberfläche nur zu gut, jeden Fleck, den selbst stärkstes Schrubben nicht mehr fort wischen könnte. Irgendwie hat es etwas Beruhigendes zu wissen, dass manche Dinge sich nicht ändern. Unter mir erstrecken sich die Gleise, bis sie sich im Gewirr der Eisenträger und der Oberleitungen verlieren, nicht mehr unterscheidbar vom waldigen Hintergrund, den felsigen Klüften. Untrennbar verlieren sie sich in all diesen Dingen, die ihre Richtung bestimmen.
Mein Blick gleitet kurz zu den Menschen, die um mich herum ihrer Wege gehen. Es sind nicht viele, denn die Stadt, die nun meine Heimat ist, ist still und verträumt, nicht groß und nicht klein, gerade richtig für mich und meine Sehnsucht nach Leben. Manche werden am Bahnhof begrüßt, lächelnd und mit strahlenden Gesichtern. Andere gehen ungesehen ihrer Wege, verschwiegen, verschlossen. Auch ich gehe alleine, nur begleitet von meinen murmelnden Gedanken. Als ich die Brücke erreichte und der Wind hier oben noch etwas stärker an mir zieht, drehe ich mich um und betrachte die sanften Hügel, deren Bäume in vollem Grün stehen. Das Licht lässt sie erstrahlen, so satt und lebhaft, dass ich für einen Moment inne halte, das Schauspiel genieße. Jedes Mal, wenn ich diesen Anblick bestaunen kann, erfasst mich Ehrfurcht und Liebe für diese natürliche Majestät, diesen Ausdruck reines Lebenswillens, der am Fuße des Flusses geboren wird und sich über die felsigen Höhen erstreckt. Es ist eine seltsame Verbundenheit und dennoch ist sie merkwürdig vertraut. Die meisten würden das wohl langweilig finden, doch nach einem langen Tag voller Anstrengungen und Lärm, gibt es für mich nichts wunderbareres als diesen Augenblick des Innehaltens. Dann bin ich für mich und die Zeit hält für einen Augenblick an, dann fühle ich, was Frieden wirklich bedeuten kann.
Doch natürlich lässt sich die Zeit nicht betrügen. Ein erneutes Reißen des Windes sagt mir, dass ich weiter muss, dass noch viele andere dinge auf mich warten. Also verlasse ich die Brücke und gehe ein paar steinerne Stufen hoch zu dem verlassenen Parkplatz und der leeren Straße. Die Sonne steht tief und ihre goldenen Strahlen werfen meine langen Schatten auf den trockenen Asphalt. Ich muss lächeln, als ich sehe, wie weit ich mich erstrecke, wie ungeduldig mein Schatten mir vorauseilt. An der Ampel hält er mit mir inne, zitternd und abwartend, um dann weiter zu ziehen. Die Straßenschilder erstrahlen gelblich, genauso wie die Fensterscheiben, die hoffnungsvoll das letzte Licht zurückwerfen, das der Himmel ihnen bietet. In der Nacht werden sie von sich aus leuchten, ein Lichtermeer der Stadt, vertraut und doch jedes Mal anders.
Ich biege in meine kleine Straße ein, still und steigend liegt sie vor mir. Hier schlucken die dichten Häuser jeden Lärm der großen Straße weiter unten, heißen dich mit ihren gekachelten Wänden und schrägen Dächern willkommen, selbst das moderne Hochhaus, das weiter oben steht. Wie ein Wächter der neuen Zeit steht es der alten Burg gegenüber, die man noch von Weitem erkennen kann.
Mein Blick ruht nun auf dem Weg, der vor mir liegt. Wie immer gehe ich vorbei an dem Bestattungsunternehmen und dem Haus mit dem Dachstuhl, in dem sich ein paar Schwalben eingenistet haben. Ich höre ihr aufgeregtes Gezwitscher und sehe nach oben, beobachte ihr lebhaftes Treiben, während meine Füße mich weiter fort tragen. Dann stehe ich vor der Haustür, schließe auf, sehe nach der Post und steige die knarrende Holztreppe hinauf. Mein Schlüssel klimpert leise, als ich die Wohnungstür aufschließe und meine Tasche an meinen Schreibtisch stelle. Ich gehe in die Küche, vorbei an den Bildern, die an der Wand hängen und mehr über mich sagen können, als jedes Wort es andeutet. Mit einem leisen Rascheln ziehe ich den Vorhang zu Seite, öffne die Tür und trete auf den Balkon. Wie von selbst finden meine Hände ihren Platz auf dem kalten Eisengitter, während ich tief einatme und weiß, dass ich zu Hause bin.
Es war kein spektakulärer Tag. Kein Tag voll von Abenteuer oder großen Errungenschaften. Es war ein Tag, wie ich sie liebte, einfach und ruhig. Ein Tag an dem ich aufhörte vorzugeben, etwas anderes zu sein, als ich war. Es war ein Tag, an dem das Glück mich an die Hand nahm und wir zusammen einschliefen, einschliefen zu getragenen Gitarrenklängen und einer rauchigen Männerstimme, die genauso müde war wie wir.
- Anmerkung des Autors zu diesem Text:
- Der Titel bezieht sich auf das Lied, auf das im Text immer wieder angespielt wird.