Das magische Bereich des Imaginären ist eben Phantasien, in das man ab und zu reisen muss, um dort sehend zu werden. Dann kann man zurückkehren in die äußere Realität, mit verändertem Bewusstsein,
und diese Realität verändern oder sie wenigstens neu sehen oder erleben.
und diese Realität verändern oder sie wenigstens neu sehen oder erleben.
MICHAEL ENDE
Man darf von jeder Tür in den literarischen Salon treten: aus der Gefängnistür, aus der Irrenhaustür oder aus der Bordelltür. Nur aus einer Tür darf man nicht kommen, aus der Kinderzimmertür.
Michael Ende, der mit vollem Namen Michael Andreas Helmut Ende heißt, wird ein Jahr nach Ausbruch des ersten Weltkrieges in Deutschland, als Sohn des Malers Edgar Ende und dessen Ehefrau Luise Bartholomä, geboren. Michael Ende selbst erlebt eine Kindheit inmitten einem bunten Trubel von Bildhauern, Literaten und Malern.
Als er 1936 in die Volksschule kommt, wird seinem Vater verboten, weiterhin zu arbeiten; Edgar Ende war einer der ersten deutschen Surrealisten und seine Bilder wurden als "entartete Kunst" betitelt. Während dieser Zeit werden viele Freunde des Vaters, sowohl Juden als auch Nichtjuden, abgeholt und, wie man damals nur hinter vorgehaltener Hand erzählte, in Konzentrationslagern verschleppt.
Als es Michael Ende mit Müh' und Not ins Gymnasium schafft, erreicht dem Vater ein Bescheid vom Militär; bis Kriegsende muss er als Soldat dienen.
Als im Jahr 1943 die meisten Schulen im Raum München evakuiert werden, kehrt Michael Ende, wie viele andere Kinder, an seinen Geburtsort zurück und beginnt, zu schreiben; anfangs hauptsächlich Gedichte und Erzählungen.
Im letzten Kriegsjahr brennt das gesamte Atelier des Vaters mit 500 Bildern ab und Endes Mutter sieht sich gezwungen, in eine Wohnung am Stadtrand zu ziehen. Nun werden auch die Vierzehn- und Fünfzehnjährigen zur Wehrmacht geschickt um gegen amerikanische Panzer zu kämpfen - drei von Michael Endes Klassenkameraden fallen am ersten Tag des Einsatzes. Michael Ende zerreißt jedoch seinen Stellungsbefehl und beginnt als Kurier bei einer Zeitung zu arbeiten.
Im Jahr darauf, kurz nach Kriegsende, kehrt der Vater aus amerikanischer Gefangenschaft zurück; die Familie zieht ein weiteres Mal um, Ende wechselt die Schule.
Da das Geld für ein Studium nicht reicht, schließt Michael Ende 1950 die Schauspielschule ab; sein Ziel ist aber das Schreiben.
In der darauffolgenden Silvesternacht lernt Michael Ende seine spätere Frau, die Schauspielerin Ingeborg Hoffmann, kennen und lieben. Geld ist zu dieser Zeit knapp bemessen und Ende gerät in eine künstlerische und literarische Krise; er beschließt, das Schreiben aufzugeben.
Er gibt sich eine letzte Chance - ohne Plan und Absicht beginnt er zu schreiben und verfasst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts das Manuskript „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“. Sowohl das Buch als auch die Fortsetzung werden ein Erfolg und finanziell unabhängig widmet sich Michael Ende nun völlig seiner Leidenschaft - dem Schreiben von Theaterstücken.
Fünf Jahre nach dem Tod seines Vaters 1965 zieht das Ehepaar in eine Villa in Italien; es herrscht eine Zeit in der die phantastische Literatur in Deutschland als "Fluchtliteratur" abqualifiziert wird.
In Italien entsteht der Roman "Momo"; auch wenn er sich anfangs nur langsam durchsetzt, wird er später in mehr als 20 Sprachen übersetzt.
Ein Jahr darauf stirbt auch seine Mutter.
1977 beginnt Michael Ende schließlich mit der Arbeit an "Die unendliche Geschichte"; nach dreijähriger Arbeit erscheint der Roman, der in 40 Sprachen übersetzt und zehn Millionen Mal verkauft wird und Michael Endes Weltruhm begründet.
Als Endes Frau stirbt, kehrt er alleine nach München zurück. Er heiratet die Japanerin Mariko Sato, die einige seiner Bücher ins Japanische übersetzt.
Im Sommer 1995 stirbt Michael Ende an einer schweren Krankheit in Stuttgart.
Schreiben ist eine Art Abenteuer, bei dem man nie weiß, wohin es einen führen wird.
Romane, Märchen und Erzählungen:
♦ Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
♦ Jim Knopf und die Wilde 13
♦ Das Schnurpsenbuch (Stuttgart 1969).
♦ Tranquilla Trampeltreu, die beharrliche Schildkröte
♦ Momo oder Die seltsame Geschichte von den Zeitdieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte Rezension
♦ Das kleine Lumpenkasperle
♦ Das Traumfresserchen
♦ Lirum Larum Willi Warum
♦ Die unendliche Geschichte
♦ Der Lindwurm und der Schmetterling oder Der seltsame Tausch
♦ Die Schattennähmaschine
♦ Der Spiegel im Spiegel. Ein Labyrinth.
♦ Filemon Faltenreich
♦ Norbert Nackendick
♦ Ophelias Schattentheater
♦ Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch
♦ Die Geschichte von der Schüssel und vom Löffel
♦ Lenchens Geheimnis
♦ Der lange Weg nach Santa Cruz
♦ Das Gefängnis der Freiheit
♦ Der Teddy und die Tiere
♦ Die Vollmondlegende. Bilderbuch für Erwachsene
♦ Die Zauberschule und andere Geschichten
♦ Der seltsame Tausch und andere Geschichten
♦ Vom Wunsch aller Wünsche und andere Geschichten
♦ Die Zauberschule im Wünschelreich
♦ Die Rüpelschule
Weiteres veröffentlichte er Theaterstücke, Essays, Gedichte und Sachbücher; viele Bücher wurden auch verfilmt und/oder vertont.
Einen Erwachsenen nennt man jenes Krüppelwesen, das in einer entzauberten Welt sogenannter Tatsachen existiert.
Michael Ende und die Schildkröten:
Man hat mich des öfteren gefragt, warum fast in jedem meiner Bücher eine Schildkröte vorkommt. Ich muss zugeben, dass mir diese Tatsache selbst erst durch die Frage auffiel.
Eigentlich hat sich die jeweilige Schildkröte (Uschaurischuum, Morla, Kassiopeia, Tranquilla usw.) sozusagen immer ganz von selbst eingestellt, ohne meine Absicht. Aber vielleicht können einige Hinweise auf die Bildersprache der Mythen und Märchen die Frage wenigstens teilweise beantworten.
In der Weltmythologie wimmelt es ja geradezu von Schildkröten. Der Noah der nordamerikanischen Indianer z.B. rettet sich nicht wie der biblische in einem Schiff, sondern auf dem Rücken einer riesigen Wasserschildkröte mit seiner Familie über sie Sintflut.
Im indischen Mythos steht die Welt auf dem Panzer einer kosmischen Schildkröte.
Wenn man das I-Ging, das chinesische "Buch der Wandlungen", aufschlägt, so wird man finden, dass die 64 Ur-Hexagramme, von denen, wie es heißt, alle Schriftzeichen abstammen, von einem vorgeschichtlichen Weisen aus den Mustern auf den einzelnen Platten eines Schildkrötenpanzers abgelesen worden sind. (Wer Momo gelesen hat, wird sich hier vielleicht an Kassiopeias Mitteilungshinweise erinnert fühlen.) Die Beispiele sind fast beliebig vermehrbar.
Was mir persönlich an Schildkröten (ich spreche hier von der mediterranen Landschildkröte) so besonders sympathisch ist, das ist:
1. ihre vollkommene Nutzlosigkeit. Schildkröten haben weder Freunde noch Feinde in der Natur (außer dem Menschen, versteht sich, der ja inzwischen der gefährlichste Feind aller Kreatur geworden ist, aber ist kein "natürlicher" Feind). Sie nützen niemand und sie schaden niemand. Sie sind einfach da. Das scheint mir in einem Weltbild wie dem gegenwärtigen, in dem alles in der Natur vom Nützlichkeitsstandpunkt aus erklärt wird, eine bemerkenswerte und tröstliche Tatsache.
2. ihre Bedürfnislosigkeit. Schildkröten können mit fast nichts existieren. Täglich ein paar Blättchen, damit kommen sie über Wochen und Monate aus.
3. ihr Alter. Ich meine damit nicht nur, dass sie im einzelnen sehr alt werden können, sondern das Alter ihrer Spezies. Es hat sie schon gegeben, als der Mensch noch in Abrahams Wurstkessel schwamm, und es wird sie vermutlich noch geben, wenn wir längst wieder abgetreten sind.
4. ihr Gesicht. Haben Sie einer Schildkröte schon mal direkt ins Gesicht gesehen? Sie lächelt. Sie scheint etwas zu wissen, was wir nicht wissen.
5. ihre Form. Dies ist der am schwersten zu erklärende Punkt, weil er dem gegenwärtigen Denken ungewohnt ist: Wenn man eine Schildkröte einmal nicht anatomisch, sondern symbolisch betrachtet, also das ins Auge fasst, was ihre Gestalt ausdrückt, dann hat man es eigentlich mit einer wandelnden Hirnschale aus Horn zu tun. Die Hirnschale spielt in den Mythen der Welt ebenfalls eine bedeutsame Rolle. Nach der Edda wurde das gestirnte Himmelsgewölbe aus der Hirnschale des Ur-Eisriesen gebildet. In der Hirnschale befindet sich die Fontanelle, eine kleine Öffnung nach oben, die beim neugeborenen Kind noch für eine kurze Weile offen bleibt und sich dann nach und nach schließt. Das ist die Erinnerung des physischen Leibes, so sagen einige Quellen des alten Wissens, an eine Ur-Zeit, in der diese Fontanelle des Menschen sein Leben lang offen blieb. An dieser Stelle befand sich ein Organ (man kann seine eigentümliche Form noch jetzt an allen Buddha-Statuen als "Frisur" sehen), mit dem der Mensch wie träumend über die Welt von Raum und Zeit hinaus, also jenseits des Himmelsgewölbes, wahrzunehmen vermochte. Die Inder nennen es den "tausendblättrigen Lotos". Vielleicht sind sogar unsere Königskronen noch eine, inzwischen unbewusste, Nachbildung dieses Organs.
Bei den Schildkröten ist die Schale geschlossen. Das denkende Ich ist mit sich allein und wird sich seiner selbst bewusst. Mit anderen Worten: "Sie trägt ihre eigene kleine Zeit in sich."
Ein Interview mit Michael Ende:
Hier zu finden.
Es gibt Menschen, die können nie nach Phantásien kommen, und es gibt Menschen, die können es, aber sie bleiben für immer dort.
Und dann gibt es noch einige, die gehen nach Phantásien und kehren wieder zurück. Und sie machen beide Welten gesund.
Und dann gibt es noch einige, die gehen nach Phantásien und kehren wieder zurück. Und sie machen beide Welten gesund.
Quellenangabe: Zwei liebevoll gestaltete Websites standen mir helfend zur Seite: http://www.thienemann.de/me/galerie.htm und http://www.michaelende.de/. Ein Besuch lohnt sich!
Zuletzt von Amira am Mo 08 Apr 2013, 21:18 bearbeitet; insgesamt 22-mal bearbeitet