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[ I N F O R M A T I O N E N ]
Hardcover | 304 Seiten
Erschienen im September 2011
im Carlsen Verlag
ISBN: 978-3-551-58254-6
Preis: 16,90 €
[ I N H A L T ]
Litauen, Sommer 1941: Die fünfzehnjährige Lina trägt noch ihr Nachthemd, als man sie, ihre Mutter und ihren jüngeren Bruder Jonas abholt. Sie weiß noch nicht, dass die sowjetische Geheimpolizei auch ihren Vater an der Universität verhaftet hat. Und auch nicht, dass sie - wie zehntausende andere Balten - nach Sibieren deportiert wird. Von einem Tag auf den anderen ist Lina konfrontiert mit unvorstellbarem menschlichem Leid, mit Hunger, Krankheiten und furchtbarer Gewalt. Doch Lina fängt an zu zeichnen, in den Staub, auf jedes kleinste Stück Papier, das sie finden kann. Und sie verliebt sich in Andrius. Lina kämpft um ihr Leben und um das ihrer Familie. Doch wird sie stark genug sein? Hardcover | 304 Seiten
Erschienen im September 2011
im Carlsen Verlag
ISBN: 978-3-551-58254-6
Preis: 16,90 €
[ I N H A L T ]
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[ M E I N U N G ]
Es gibt Jugendbücher, in denen versinkt man gerne, weil das Lesen einfach Spaß macht, die Hauptfiguren echt wirken und man kurzzeitig die Welt aus einer anderen Perspektive sehen möchte. Dann gibt es aber auch Bücher, bei denen man immer und immer weiterliest, weil sie so schockierend sind, dass man sich gar nicht traut, das Buch wieder zuzuklappen. Auf irgendeine Weise wird man stark berührt, und wird von Seite zu Seite mitgenommener, kann aber nicht mehr aufhören. So ein Buch ist „Und in mir der unbesiegbare Sommer“.Gebt mir ein Jugendbuch, das in irgendeiner Weise mit der Geschichte der Sowjetunion zusammenhängt und ich werde es lesen. An diesem Zeitabschnitt habe ich einen Narren gefressen und sauge gierig weitere Fakten darüber in mich auf. Aber Fakten sind nicht alles – den vielen Opfern muss man auch eine Stimme geben, ein Gefühl, damit man nicht nur die toten Zahlen und Tatsachen begreift, sondern auch das viele Leid, das dahintersteckte. Das hat sich auch Ruta Sepetys in ihrem Roman zur Aufgabe gemacht.
Lina und ihre Familie werden eines Abends völlig überraschend aus ihrem Haus in Kaunas abtransportiert und zusammen mit vielen anderen Menschen in Viehwaggons gesteckt. Es ist das Jahr 1941 und Litauen ist seit einem Jahr von den Sowjets besetzt. Das Ziel des Zuges ist zunächst ungewiss und nach langer Reise hält der Zug in Sibirien. Lina und die Tausend anderen Deportierten müssen Zwangsarbeit leisten, in einem Landstrich der karg und kahl ist, unter Aufsehern, die herzlos und brutal sind. Aber Lina gibt die Hoffnung nicht auf. Mit Zeichnungen und Worten hält sie die Schicksale fest.
Schon auf der ersten Seite wurde ich von der Geschichte mitgerissen. Das liegt an der gloriosen Kombination aus dem Schreibstil der Autorin – der mitreißend, wenn auch nicht kompliziert ist – und ihrer Fähigkeit, dadurch die Emotionen der Hauptfigur Lina besonders glaubhaft darzustellen. Dabei drängt sie sich dem Leser gar nicht auf. In „Und in mir der unbesiegbare Sommer“ gibt es keine von Pathos oder überzogenen Beschreibungen verhunzte Stellen, eher im Gegenteil. In ihrer Schlichtheit sind Linas Gedanken und Gefühle viel berührender und glaubwürdiger. Auch der Umstand, dass sie manchmal den Leser addressiert, hat mir gut gefallen. Das passiert zwar nicht oft, aber mit gezielten Fragen bringt sie einen zum Nachdenken über bestimmte Dinge. Manche Sätze wollen mir auch Tage nach dem Lesen noch immer nicht aus dem Kopf gehen, weil sie so klar und eingängig und doch wunderschön formuliert sind.
Genauso schlicht sind auch die anderen Figuren gehalten. Sie sind auf ihre Art und Weise ganz besonders und wenn man ein paar Seiten mit ihnen verbracht hat, erkennt man auch langsam ihre Charaktereigenschaften. Durchschaubar sind sie dadurch trotzdem nicht. Oftmals fühlte ich mich von Handlungen einiger Figuren überrascht und war genauso ratlos wie Lina, wie ich damit umgehen sollte. Obwohl es unter den Wachmännern und Offizieren des NKWD natürlich auch ziemliche Schweine gibt, betreibt die Autoren keine Schwarz-Weiß-Malerei. Wie Lina muss man sich ein eigenes Urteil über die Figuren bilden und das fällt angesichts ihrer Ecken und Kanten und teilweise doch wieder ganz weichen Seiten gar nicht so leicht.
Handlungstechnisch ist „Und in mir der unbesiegbare Sommer“ aber auch sehr mitreißend. Vor den vielen schrecklichen Dingen möchte man am liebsten die Augen verschließen, kann es aber gar nicht und so fliegt die Geschichte rasant an einem vorbei. Auch wenn es sehr brutale Stellen gibt, finde ich es gut, dass die Autorin nicht viel beschönigt, sondern einen an der Realität teilhaben lässt. Die ernsthafte Thematik gibt dem Roman natürlich aber auch viel Tiefgang, bildet den Leser weiter und lässt ihn über Dinge nachdenken, die sich sonst womöglich nicht so sehr aufdrängen.
[ F A Z I T ]
„Und in mir der unbesiegbare Sommer“ ist ein Buch, das man gelesen haben sollte. Authentische Figuren, ein schlichter, aber sehr schöner Schreibstil und im Zentrum das Schicksal eines Mädchens, das auch tausende andere zu der Zeit erleiden mussten, machen das Buch für mich zu einem der Besten dieses Jahres. Für Erwachsene und Jugendliche ist es gleichermaßen geeignet und ich wage ebenfalls zu behaupten, dass es für Leser, die sich für gewöhnlich fernab von diesem Genre bewegen, auch einiges bereithält.(von 5 Sternen)