"Es gibt nur wenige Dinge, die Melda Akbas so richtig nerven. «Ausländerin» genannt zu werden, gehört dazu. Die 19 Jahre alte Berlinerin ist Deutsch-Türkin oder «junge Deutsche mit Migrationshintergrund» oder, wie sie selbst sagt, «manchmal auch einfach Türkin».
Sie hat eben beide Kulturen mitgenommen - und darüber ein viel beachtetes Buch geschrieben: «So wie ich will. Mein Leben zwischen Moschee und Minirock».
Die Abiturientin ist mit einem Konflikt aufgewachsen: Ihre Eltern sind streng gläubige Muslime, ihr Umfeld im Berliner Stadtteil Schöneberg ist pralles Großstadtleben mit Läden, Cafés und Rotlicht. Sie selbst bewegt sich dazwischen als engagierte Schülerin. In der überregionalen Presse tauchte sie als Schülersprecherin oder Organisatorin eines Jugendprojekts als Beispiel geglückter Integration auf. Während eines Praktikums in der Türkischen Gemeinde wurde sie angesprochen, ob sie nicht ein Buch schreiben will. «Das ist eine super Chance, Dinge zur Aussprache zu bringen, die selten in der Politik vorkommen», erklärt sie beim Interview in einem Berliner Café.
Meldas Buch ist wie vertrauliches Plaudern mit einer türkischen Freundin: Keine große Belletristik, aber ehrlich und stellenweise auch humorvoll erfährt der Leser vom Leben in ihrer Großfamilie und den Konflikten mit den Eltern - über das Ausgehen, verboten enge Jeans, wie ungleich Söhne und Töchter behandelt werden. Damit könnte sie als kleine Schwester von Hatice Akyün durchgehen, die 2005 mit ihrem Buch «Einmal scharfer Hans mit Soße» den Alltag einer modernen deutsch-türkischen Singlefrau beschrieb.
Meldas Probleme drehen sich nicht nur ums Erwachsenwerden. Die junge Frau kämpft mit dem Selbstbild der «guten Tochter»: Sie will selbstbestimmt leben, aber ebenso die muslimischen Wurzeln und Traditionen respektieren. «In türkischen oder arabischen Familien zählen Ehre und das, was man in seinem Dorf gelernt hat, eben noch viel mehr», erklärt sie. Sie trägt kein Kopftuch, sie betet nicht regelmäßig. Doch sie glaubt. Es ist ihr sehr wichtig, den Islam zu verstehen. Und sie sucht nach einer eigenen Lesart des Korans: Wenn ihr der Sex vor der Ehe verboten sei, schreibt sie, dann dürfe sie eigentlich auch keine Hausaufgaben vor dem Abitur machen.
Beendet hat das Buch die heimischen Debatten nicht, aber das wollte sie auch gar nicht. Die Mutter habe sich die Jungs- Geschichten bereits gedacht, sie stört aber, dass jetzt selbst die Nachbarn alles nachlesen können. Die Autobiografie ist für Melda «eine Chance, ein Sprachrohr zu sein für Mädchen, die so sind wie ich oder meine Probleme nachvollziehen können.» Sie will zeigen, dass es moderne muslimische Frauen jenseits von Kopftuchdebatten und Ehrenmordskandalen gibt.
In der Politik und an Schulen vermisst sie offene Debatten. «Natürlich muss darüber gesprochen werden, wenn ein Mädchen plötzlich nach der fünften Klasse anfängt, ein Kopftuch zu tragen.» Das größte Problem ist ihrer Ansicht nach die Unsicherheit, wenn zwei Kulturen zu wenig übereinander wissen. «Viele Deutsche haben gar keine türkischen Freunde, die sie fragen können, wie das so bei ihnen zuhause ist.» Sie freut sich, wenn sie deutschen Freundinnen eine türkische Hochzeit zeigen kann. Im Gegenzug schmückte sie vor zwei Jahren erstmals einen Weihnachtsbaum.
Aber nicht in jeder Deutsch-Türkin steckt eine Melda. Das merkte sie, als sie sich in der Oberstufe entschloss, die Schule zu wechseln: Sie verließ ihr angesehenes Schöneberger Gymnasium und ging für das Abitur an eine Kreuzberger Schule mit extrem hohem Migrantenanteil. «Ich habe Erfahrungen dort gemacht, die kein Politiker so mitbekommt», erzählt sie, als käme sie von einer Feldstudie.
Die meisten Klassenkameradinnen trugen Kopftuch, gehorchten Eltern und Verlobten, «heiraten, kriegen Kinder und das war's». Meldas Versuche, sie zu mehr Selbstbestimmung aufzuwiegeln, scheiterten. «Es dürfte solche Schulen mit einem Migrationsanteil von über 98 Prozent gar nicht geben.»
Das Buch hat ihr Leben verändert. Als erstes musste sie ihren Plan, Jura oder internationales Recht zu studieren, vertagen. Nun geht sie auf Lesereise in Deutschland, Österreich und Dänemark. Dafür hat sie sich ein Jahr Pause verordnet. «Ich habe die letzten Jahre eigentlich nur gearbeitet. Da freue ich mich über eine Woche frei», sagt die 19-Jährige und guckt etwas erschöpft. Und «natürlich», wenn es an den Strand geht, dann: im Bikini.
Melda Akbas
So wie ich will. Mein Leben zwischen Moschee und Minirock
Verlag C. Bertelsmann, 172 S., 14,95 Euro
ISBN 978-3-570-10043-1"
(Quelle: dpa)
Sie hat eben beide Kulturen mitgenommen - und darüber ein viel beachtetes Buch geschrieben: «So wie ich will. Mein Leben zwischen Moschee und Minirock».
Die Abiturientin ist mit einem Konflikt aufgewachsen: Ihre Eltern sind streng gläubige Muslime, ihr Umfeld im Berliner Stadtteil Schöneberg ist pralles Großstadtleben mit Läden, Cafés und Rotlicht. Sie selbst bewegt sich dazwischen als engagierte Schülerin. In der überregionalen Presse tauchte sie als Schülersprecherin oder Organisatorin eines Jugendprojekts als Beispiel geglückter Integration auf. Während eines Praktikums in der Türkischen Gemeinde wurde sie angesprochen, ob sie nicht ein Buch schreiben will. «Das ist eine super Chance, Dinge zur Aussprache zu bringen, die selten in der Politik vorkommen», erklärt sie beim Interview in einem Berliner Café.
Meldas Buch ist wie vertrauliches Plaudern mit einer türkischen Freundin: Keine große Belletristik, aber ehrlich und stellenweise auch humorvoll erfährt der Leser vom Leben in ihrer Großfamilie und den Konflikten mit den Eltern - über das Ausgehen, verboten enge Jeans, wie ungleich Söhne und Töchter behandelt werden. Damit könnte sie als kleine Schwester von Hatice Akyün durchgehen, die 2005 mit ihrem Buch «Einmal scharfer Hans mit Soße» den Alltag einer modernen deutsch-türkischen Singlefrau beschrieb.
Meldas Probleme drehen sich nicht nur ums Erwachsenwerden. Die junge Frau kämpft mit dem Selbstbild der «guten Tochter»: Sie will selbstbestimmt leben, aber ebenso die muslimischen Wurzeln und Traditionen respektieren. «In türkischen oder arabischen Familien zählen Ehre und das, was man in seinem Dorf gelernt hat, eben noch viel mehr», erklärt sie. Sie trägt kein Kopftuch, sie betet nicht regelmäßig. Doch sie glaubt. Es ist ihr sehr wichtig, den Islam zu verstehen. Und sie sucht nach einer eigenen Lesart des Korans: Wenn ihr der Sex vor der Ehe verboten sei, schreibt sie, dann dürfe sie eigentlich auch keine Hausaufgaben vor dem Abitur machen.
Beendet hat das Buch die heimischen Debatten nicht, aber das wollte sie auch gar nicht. Die Mutter habe sich die Jungs- Geschichten bereits gedacht, sie stört aber, dass jetzt selbst die Nachbarn alles nachlesen können. Die Autobiografie ist für Melda «eine Chance, ein Sprachrohr zu sein für Mädchen, die so sind wie ich oder meine Probleme nachvollziehen können.» Sie will zeigen, dass es moderne muslimische Frauen jenseits von Kopftuchdebatten und Ehrenmordskandalen gibt.
In der Politik und an Schulen vermisst sie offene Debatten. «Natürlich muss darüber gesprochen werden, wenn ein Mädchen plötzlich nach der fünften Klasse anfängt, ein Kopftuch zu tragen.» Das größte Problem ist ihrer Ansicht nach die Unsicherheit, wenn zwei Kulturen zu wenig übereinander wissen. «Viele Deutsche haben gar keine türkischen Freunde, die sie fragen können, wie das so bei ihnen zuhause ist.» Sie freut sich, wenn sie deutschen Freundinnen eine türkische Hochzeit zeigen kann. Im Gegenzug schmückte sie vor zwei Jahren erstmals einen Weihnachtsbaum.
Aber nicht in jeder Deutsch-Türkin steckt eine Melda. Das merkte sie, als sie sich in der Oberstufe entschloss, die Schule zu wechseln: Sie verließ ihr angesehenes Schöneberger Gymnasium und ging für das Abitur an eine Kreuzberger Schule mit extrem hohem Migrantenanteil. «Ich habe Erfahrungen dort gemacht, die kein Politiker so mitbekommt», erzählt sie, als käme sie von einer Feldstudie.
Die meisten Klassenkameradinnen trugen Kopftuch, gehorchten Eltern und Verlobten, «heiraten, kriegen Kinder und das war's». Meldas Versuche, sie zu mehr Selbstbestimmung aufzuwiegeln, scheiterten. «Es dürfte solche Schulen mit einem Migrationsanteil von über 98 Prozent gar nicht geben.»
Das Buch hat ihr Leben verändert. Als erstes musste sie ihren Plan, Jura oder internationales Recht zu studieren, vertagen. Nun geht sie auf Lesereise in Deutschland, Österreich und Dänemark. Dafür hat sie sich ein Jahr Pause verordnet. «Ich habe die letzten Jahre eigentlich nur gearbeitet. Da freue ich mich über eine Woche frei», sagt die 19-Jährige und guckt etwas erschöpft. Und «natürlich», wenn es an den Strand geht, dann: im Bikini.
Melda Akbas
So wie ich will. Mein Leben zwischen Moschee und Minirock
Verlag C. Bertelsmann, 172 S., 14,95 Euro
ISBN 978-3-570-10043-1"
(Quelle: dpa)