Zu Katniss´ Gefühlslage am Anfang:Ich finde es alles andere als unrealistisch, dass sie nach all den schrecklichen Erlebnissen in Teil eins und zwei ihre frühere Aktivität erst einmal verloren zu haben scheint und stattdessen einfach nur innerlich kaputt ist.
Diese Gefühlslage deutete sich schon am Ende des zweiten Buchs, nach ihrer Retttung, ziemlich deutlich an und ist menschlich. Ich wäre enttäuscht von der Autorin gewesen, wenn Katniss sich ohne Nachdenken und Selbstvorwürfe jetzt gleich in den Kampf gegen das Kapitol gestürzt hätte, besonders, nachdem Peeta im Gegensatz zu ihr nicht aus der Arena gerettet wurde
Bereits in den ersten Büchern hat Katniss gezeigt, dass sich viele Gedanken um die Folgen ihrer Handlungen und deren moralische Vertretbarkeit macht. Für mich wäre es daher ein Bruch gewesen, wenn sie plötzlich damit aufgehört hätte.
Zu ihren Gefühlen im Laufe der Handlung:Die Autorin beschreibt die Veränderungen in Katniss´ Gefühlslage und ihrem Denken zum Großteil sehr gelungen (meine Kritikpunkte finden sich im letzten Abschnitt der Rezi).
Am Anfang erscheint Katniss am Boden zerstört, ohne wirkliches Interesse für die Vorgänge um sich herum, später stürzt sie sich mit ihrer alten Energie in den Kampf gegen das Kapitol, besonders, als sie meint, Peeta nach dessen Einwebung verloren zu haben und nimmt dabei auf das eigene Leben kaum Rücksicht. Schließlich scheint sie geradezu besessen davon, Snow zu stellen, versinkt dann aber nach Prims Tod in tiefe Lethargie und immer größeren Schuldvorwürfe, sie sieht keine Hoffnung mehr für sich und will nach Ende ihrer "Mission" sterben. Im Epilog erlebt der Leser mit, wie schwer das Weiterleben nach solchen Erlebnissen wie denen von Katniss ist und dass in manchen Zeiten jeder Tag ein Kampf ums Überleben ist, darum, nicht aufzugeben und wieder an Hoffnung und Liebe zu glauben.
Zum Thema Krieg und Brutalität:In der gesamten Reihe, besonders aber im letzten Teil, gelingt es Suzanne Collins, auf erschreckende, verstörende und emotionale Weise die Grausamkeit, zu der Menschen prinzipiell fähig sind, darzustellen. Ich habe noch nie eine Buchreihe gelesen, die mich innerlich so aufgewühlt und erschrocken hat, die mir so realistisch als Mahnung daran erscheint, zu welchen moralischen Abgründen der Mensch fähig ist, und die mir aus all diesen Gründen sicher nachdrücklich in Erinnerung bleiben wird.
Ich fand es auch absolut schrecklich, dass Prim gestorben ist und hätte das Buch an dieser Stelle am liebsten zugeklappt, ebenso wie bei Finnicks Tod, aber beide Todesfälle gehören in meinen Augen zur Intention der Autorin, das Grausame an Kriegen zu verdeutlichen, die Schonungslosigkeit, mit der solche vonstatten gehen.
"Die Tribute von Panem" waren für mich immer eine realistisch ausgelegte Buchreihe, in der anders als z.B. in der "Twilight"-Reihe auf Heile-Welt-Malerei verzichtet wird und gerade darum ist Katniss´Geschichte für mich weit eindringlicher als viele andere Jugendromane und hat mich mehr bewegt und zum Nachdenken gebracht als diese. Wenn ich Reihe wie die "Panem" lese, dann erwarte ich einfach, dass die Autorin ihre Geschichte realistisch entwickelt, die Dinge so ausgehen lässt, wie es im wahren Leben auch geschehen könnte und kein Hollywoos-Kitschende einbaut, ansonsten wäre es für mich ein schlechtes Buch.
Zum Epilog:Aus den oben genannten Gründen finde ich den Epilog sehr gelungen. Ich wäre schwer enttäuscht gewesen, wenn dort jetzt eine überglückliche Familie aufgetaucht wäre, die alle vergangenen Schrecken hinter sich gelassen hat (auch, wenn ich es mir für Katniss und Peeta rein subjetiv so sehr gewünscht hätte!). So ein "zuckriges" Ende wäre aber nicht realistisch gewesen und hätte vor allem zu Katniss´Charakter, die ja sehr zum Nachsinnen über moralische Fragen neigt, nicht gepasst.
Ich habe Katniss im Epilog als traumatisierte Frau erlebt, die aber gegen die Geister der Vergangenheit käpft und versucht, wieder an Glück, Liebe und Frieden zu glauben (siehe ihre gedankliche Glücks-Liste).
Der Krieg um Panem und die Hungerspiele haben Katniss die schlimmsten Seiten der menschlichen Natur gezeigt und darum fällt es ihr schwer, an eine friedliche Zukunft ohne neue Auseinandersetzungen zu glauben (eine diesbezügliche Textstelle findet sich am Ende, vor dem Epilog).
Damit erklärt sich für mich auch der Satz, den ich anfangs erschrocken gelesen habe, Peeta habe ihre Tochter so sehr gewollt. Da Katniss wenig Vertrauen in die Menschheit hat, fiel es ihr sicher schwer, sich dafür zu entscheiden, Kinder in die in ihren Augen sehr gefährliche Welt zu setzen (sie sagt ja auch schon im ersten Band, dass sie wegen der Hungerspiele niemals eine Familie gründen möchte). Sie fürchtet um das Wohl ihrer Kinder und hat Angst vor weiteren Verlusten von geliebten Menschen wie dem von Prim.
Trotzdem hat Katniss (sicherlich durch Peetas ruhige, friedliche, harmonische und optimistische Art, die ja im Gegensatz zu ihrer eigenen steht) etwas Vertrauen in die Welt gefasst und kann auch wieder Schönes im Leben erkennen, sonst hätte sie der Gründung einer Familie sicher nicht zugestimmt.
Beim letzten Satz des Epilogs musste ich schlucken, er hat mich richtig mitgenommen, da er sich in meinen Augen wie eine Ermahnung an die schreckliche Seite der menschlichen Natur liest, die u.a. in Kriegen zum Vorschein kommt.
Ich muss aber auch sagen, dass ich im Laufe der Handlung irgendwann abgestumpft bin und nicht immer so emotional beteiligt war wie am Anfang oder in den ersten beiden Büchern, da irgendwann ein Schrecken den nächsten jagte.
Zur Auflösung des Liebes-Dreiecks und Katniss´ Verhältnis gegenüber Peeta:Das ist der Punkt, mit dem ich überhaupt nicht zufrieden bin. Ich schließe mich an, dass es so scheint, als hätte die Autorin Gale auf die Schnelle loswerden müssen und sich deshalb mal eben die Geschichte mit seiner Beteiligung an der Erfindung der Waffe, die Prim getötet hat, ausgedacht. Ich meine, Gale und Katniss waren jahrelang beste Freunde, sie war sich nicht sicher, ob sie ihn liebt und er hat an der Entwicklung der Waffe ja nicht in der Absicht mitgearbeitet, Prim zu schaden.
Ich kann echt nachvollziehen, dass sie der Gedanke an seiner Beteiligung am Bau der Waffe, die ihre Schwester umgebracht hat, belastet, aber ...
Gale hat sich davor so lange immer wieder für sie eingesetzt und war in meinen Augen ein sehr guter bester Freund. Ich hätte es eher verstanden, wenn sie mit ihm gebrochen hätte, weil er anders als sie selbst für sein Ziel, die Regierung zu stürzen, skrupelloser vorgeht.
Was mich am schwersten enttäuscht hat, ist die in meinen Augen im dritten Band so gut wie gar nicht vorhandene Liebe von Katniss zu Peeta. Gegen Ende (jetzt nicht im Epilog), bejaht sie seine Frage, ob sie ihn liebe, aber man merkt davon im ganzen Buch nicht viel.
Ihre Sorge und Selbstvorwürfe am Anfang wegen seiner Gefangenschaft fand ich noch sehr gut beschrieben, dort wurden Gefühle von ihrer Seite aus für ihn deutlich, aber danach war da so gut wie nichts. Ich hätte erwartet, dass Katniss, so wie wir sie in den vorherigen Teilen kennen gelernt haben, um Peeta kämpft, als dieser aus dem Kapitol befreit und geistig verwirrt nach Distrikt 13 gebracht wurde, weil er ihr in den vorherigen Büchern einiges bedeutet zu haben scheint.
Stattdessen hatte ich das Gefühl, dass sie in einfach aufgibt, als wäre er für sie gestorben. Ihre Vorwürfe an ihn ("Er liebt mich nicht mehr, oh nein, er hasst mich! Das darf er doch nicht!") konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen. Ich meine, er wurde im Kapitol gefoltert und hat trotzdessen noch Distrikt 13 vor dem Luftangriff gewarnt, und sie macht ihm noch Vorwürfe, weil er nicht mehr so ist wie früher und bezeichnet ihn an einer Stelle als Verräter???
Richtig geschockt war ich darüber, wie leichtfertig Katniss an manchen Stellen dazu entschlossen war, Peeta auf ihrem Weg zu Snow zu töten, weil er als Mutation eine Gefahr darstellt. Ja, er hat ihren "Auftrag" gefährdet, aber Peeta, der sie wirklich liebt und so oft sein Leben für sie riskiert hat, der immer wieder klare Momente hat, in denen er sich wie früher verhält, einfach erschießen, weil er ihr Leben bedroht? Das fand ich herzlos und grausam und auch egoistisch.
Egoistisch fand ich auch, dass sie den frisch verheirateten Finnick auf ihren waghalsigen Alleingang mitgenommen hat, obwohl sie doch wusste, was er Annie bedeutet und dass die beiden sich gerade erst wiedergefunden haben.
Am Ende, als Katniss sich für Peeta entscheidet, konnte ich nicht sehen, dass sie das tut, weil sie ihn liebt. Vielmehr wirkte es auf mich so, dass sie sich für Peeta entschieden hat, weil er ein sonnigeres, helleres Gemüt hat als Gale und sie glaubt, mit ihm die erlebten Schrecken besser verarbeiten zu können als mit Gale als Partner. Klar, sie ist traumatisiert, aber ...
Das passt für mich nicht zu der stets um Peeta besorgten Katniss, wie man sie aus den ersten beiden Teilen kennt.