Also, ich habe davon heut im Radio am Rande gehört (oho, ich höre noch Radio! *g*) und jetzt gerade habe ich mir diesen Tagesschau-Teaser angeschaut und das Zwei-Minuten-Video von der "Reportage".
Ich muss erst mal sagen, dass ich auf ARD-Reportagen nicht mehr viel gebe. Von Ergebnisoffenheit ist da nichts zu spüren – es gibt einen bestimmten Punkt/ein bestimmtes Fazit, auf den/das man hinsteuert und da wird dann gnadenlos emotionalisiert und Zeug ans Licht gezerrt, wo sich jeder deutsche Bürger denkt "Recht haben sie, die gut recherchierenden Öffentlich-Rechtlichen! Böse, böse Buben sind das alles! Ich kaufe da nie wieder was!" Das war bei der kürzlich ausgestrahlen Apple-Reportage auch so. Und zufällig wollte sich Apple – genau wie Amazon im aktuellen Fall – zu den Ergebnissen dieser "Reportage" nicht äußern.
Ich bin recht froh, dass sich Amazon doch recht schnell geäußert hat, offenbar wissen die, wie man mit Medien und "Medienkrisen" umzugehen hat. Alles andere hätte mich aber auch gewundert.
Wenn ich ehrlich bin, glaube ich auch eher dem Statement von Amazon als dem, was die ARD-Journalisten so von sich gegeben haben. Wenn ich allein an die Anmoderation des Beitrags in der Tagesschau denke, wird mir schlecht. Da wird emotionalisiert (schon allein am Sprachgebrauch zu erkennen, der ist nämlich wenig neutral und ebenso wenig sachlich) und offenbar freut man sich, mal wieder eine große Story aufgetan zu haben.
Was dann aber deutlich im Beitrag bei der Tagesschau herauskommt, ist, dass das Problem weder die Leiharbeit, noch die Bezahlung, die Arbeitszeiten oder die Unterbringung an sich ist. Sondern schlicht und ergreifend die Sicherheitsfirma. Übrigens wird im Beitrag so halbrichtig gesagt, dass Thor Steiner eine bei Rechten beliebte Marke ist. Die Marke selbst ist nichts rechtsgerichtet. Dennoch machen diese Typen auf mich auch einen recht … rabiaten Eindruck. Aber ganz ehrlich, ich kenn auch den einen oder anderen Security und die sehen auch aus wie 2 Meter große schlechtgelaunte Bulldoggen, aber die sind freundlich, aber bestimmt. Und tragen Glatze, obwohl sie nicht rechts sind. Kann man aber auch schnell verwechseln aufgrund des gängigen Bildes vom Otto Normalrechten. Ich würde also gern anstelle von "rechtsradikale Sicherheitsfirma" von einer "vermutlich rechten Gesinnung bei den Sicherheitsbeamten" sprechen. Bewiesen ist da ja auch noch nichts. Übrigens möchte ich behaupten, dass Amazon, sollte diese Sicherheitsfirma tatsächlich Menschen mit rechter Gesinnung beschäftigen, diese Firma nicht wissentlich ausgewählt hat. Und da kriegt man dann in der Reportage gesagt, dass das ja mit unserer Vergangenheit gar nicht geht und überhaupt, total verwerflich. Ganz ehrlich: So schlau wird Amazon auch sein. Ich kann mir also nur vorstellen, dass das unwissentlich passiert ist.
Ich möchte auch gern mal wissen, woher die Journalisten der ARD (oder des hessischen Fernsehens, wie auch immer, letztendlich ist es eine große öffentlich-rechtliche Familie) die Zahlen haben, mit denen sie jongliert haben. Das wird auch nicht genannt. Ich kann auch behaupten, dass bei Amazon von x-tausend Mitarbeitern eigentlich nur 10 fest angestellt sind. Und stell mich vor eine Kamera und behaupte das. So. Jetzt beweist mir mal einer das Gegenteil. Aber halt, es brüllen ja schon alle Zeter und Mordio und Wie kann das sein und Ich lösch sofort meinen Account.
Das, übrigens, finde ich ohnehin das Lächerlichste. Oho, Deutschland hat nach dem Sexismus im Alltag endlich ein neues Aufschrei-Thema. Böses Amazon!
Sorry, ich neige bei so unreflektiert wiedergekäutem und dramatisiertem Medienblabla gern zum Zynismus. Aber ehrlich, es ist nichts bekannt, es lag zu dem Zeitpunkt keine Stellungnahme vor, ich hab nicht mal eine Ahnung, woher die ARD-Journalisten ihre Infos beziehen. Aber ich kann ja trotzdem erst mal groß rumposaunen, dass ich das ganz schön scheiße finde, was Amazon da gemacht hat. Und dass die überhaupt Leiharbeiter beschäftigen! Pfui Teufel.
Mist, ich fange schon wieder an.
Aber einmal muss ich noch.
Als es hieß "In der Weihnachtszeit müssen sie 15 Tage durcharbeiten, das ist ja sooo schlimm und unmenschlich."
Äh. Ja. Ich arbeite in der Medienbranche. Ich arbeite da nicht unbedingt Weihnachten durch, aber ein paar Wochen/Tage vorher, weil es um Weihnachten rum immer nen A**** voll Arbeit gibt. Oder lass mal die Deadline für ein Printmagazin näherrücken und zwei Anzeigen fehlen noch und zwei Kunden stellen sich tot ... und die Endkorrektur ist noch nicht durch, Bilder fehlen und plötzlich muss die Titelstory ausgetauscht werden, was das halbe Magazin umwirft. Joa, da komm ich doch um 10 ins Büro und geh um 17 Uhr wieder, nicht wahr? – Da würde mir mein Chef den Kopf abreißen und mir vermutlich eher persönlich die Tür einschlagen und mich danach an den Laptop fesseln!
Wie Amazon schon in seiner Stellungnahme schrieb, gibt es genug Festangestellte und Leih-/Zeitarbeiter, die nun mal regelmäßig auftretende Spitzen in der Weihnachts- und anderen Geschenkezeit abdecken. Das ist vollkommen normal.
Die Sicherheitsfirma ist allerdings offensichtlich das Letzte. Und ich denke, die hat die längste Zeit mit Amazon zusammengearbeitet. In einem so großen Unternehmen (und das ist kein In-Schutz-Nehmen, sondern lediglich eine Möglichkeit) kann es durchaus mal vorkommen, dass ein Missstand wie dieser nicht gleich oder erst durch externe Prüfung bekannt wird. Da gibt es sicherlich einen Verantwortlichen, der diese Firma beauftragt hat. Dieser Auftrag ging aber sicherlich entweder durch mehrere andere Hände (Vorgesetzte etc.) oder aber geschah eigenverantwortlich (und dann waren es nur sehr wenige Hände), aber ich glaube auch nicht, dass der Vorstand von Amazon zu jeder Abteilung sagt "Gebt mir mal alle Aufträge und was ihr sonst noch so den ganzen Tag macht, wir gucken mal drüber, weil wir ja eh nichts zu tun haben."
Das soll natürlich den Missstand nicht entschuldigen und es ist gut, dass er aufgedeckt wurde. Aber ich finde schon, dass die ARD da mal wieder etwas entdeckt hat und nun mit großem Tamtam wieder einen Bösen in die Hall of Blame stellt. Gleich neben Apple (unnütz, überteuert, miese Arbeitsbedingungen etc. pp.) und den ganzen anderen bösen Buben der deutschen und internationalen Wirtschaft. Sachliche und vor allem fachlich nachvollziehbare Berichterstattung sieht jedenfalls anders aus.
Just my two cents.