John Ronald Reuel Tolkien
Biographie:
John Ronald Reuel Tolkien wurde 1892 in Bloemfontein (Oranje-Freistaat - heute Südafrika) geboren. Seine Kindheit verlief recht ereignislos … bis auf einen Tarantelbiss. Das mag vielleicht auch der Grund gewesen sein, weswegen er in seinen späteren Werken oft Riesenspinnen mit einbrachte.
Mit 4 Jahren, nachdem sein Vater gestorben war, zog er mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Sarehole Mill, einem Vorort von Birmingham. Da diese Gegend von der sich zu dieser Zeit überall ausbreitenden Industrialisierung weitestgehend unberührt geblieben war, wurde dieser idyllische Ort später die Vorlage für das Auenland, ein Teil seiner mythologischen Welt. Hier wurde er auch zum ersten Mal mit dem Dialektwort „Gamgee“ vertraut, was Baumwolle bedeutete. Dieser Name sollte später der Name eines der Hauptpersonen in seinem Werk „der Herr der Ringe“ werden.
Da der junge Tolkien von seiner Mutter zum Glauben erzogen wurde, der sich auch durch sein ganzes Leben zog, prägte sich dieser in seine Werke mit ein.
Schon früh interessierte er sich für Sprachen, weswegen ihm seine Mutter Ansätze von Latein, Französisch und Deutsch beibrachte. Zu dieser Zeit wurde er auch mit verschiedenen nordischen Sagen konfrontiert, die später sehr wichtig für seine Werke sein sollten.
Zwischen 1900 und 1902 zog Tolkien mehrfach innerhalb von Birmingham um. All diese Stadtteile hatten Städtecharakter. Somit musste er die ländliche Idylle, die seine frühe Kindheit gezeichnet hatte, verlassen. Oft musste er die Schule wechseln und erlernte zum Schluss, an der King Edward's School Griechisch, Mittelenglisch und Altenglisch
Als er 12 Jahre alt war, starb auch seine Mutter, was für den jungen Tolkien vollkommen unbegreiflich war. Dieses Ereignis verstärkte seine pessimistische Grundhaltung und verband ihn zugleich noch enger mit der Kirche.
Die beiden Brüder kamen in die Obhut Pater Francis Morgans, eines mit ihrer Mutter befreundeten Priesters, der sie zunächst bei ihrer Tante Beatrice Bartlett, später bei einer befreundeten Pensionswirtin unterbrachte. Dort lernte Tolkien 1908 seine spätere Frau, die drei Jahre ältere Edith Bratt, kennen. Als sein Vormund davon erfuhr, verbot er Tolkien bis zum Erreichen seiner Volljährigkeit mit einundzwanzig Jahren jeden Kontakt mit Edith.
In der Schule wurde Tolkien unterdessen auf die Philologie, die Wissenschaft von den Gesetzmäßigkeiten der Sprache, aufmerksam. Von diesen Kenntnissen angespornt, begann er bald damit, eigene Sprachen zu erfinden.
Die enge Beschäftigung mit Sprachen zeigte sich bald auch in der Schule, wo Tolkien seine Zuhörer bei (damals meist in Latein gehaltenen) Debatten bald mit fließenden Vorträgen in Griechisch, Gotisch oder Altenglisch überraschte.
Bald begann Tolkien ernsthaft damit, Gedichte zu schreiben, in denen erstmals im Waldland tanzende Feen auftraten.
Im Dezember 1910 bekam Tolkien ein Stipendium des Exeter College in Oxford. Dort studierte er die klassischen Sprachen Latein und Griechisch und ihre Literatur, aber schon bald langweilte er sich dabei. Einzig die „Vergleichende Sprachwissenschaft“ konnte sein Interesse auf sich ziehen. Sein Professor in diesem Fach wies ihn auf das Walisische hin, dem sich Tolkien daraufhin begeistert zuwandte. Bald begann er auch, sich mit dem Finnischen auseinanderzusetzen.
Das Ergebnis von dies allem sollte Jahre später als Quenya, Hochsprache der Elben, Eingang in seine mythologische Welt Mittelerde finden.
Am 22. Januar 1916 heiratete er seine Jugendliebe Edith.
Durch seine Vernachlässigung des eigentlichen Lehrstoffs zugunsten seiner zahlreichen Sprachinteressen schloss er eine Zwischenprüfung nach zwei Jahren Studium für ihn enttäuschend nur mit einem „Second“ (also einer 2) ab. Auf Anregung seines Colleges, wo sein Interesse an germanischen Sprachen aufgefallen war, wechselte er daraufhin an das Institut für englische Sprache und Literatur.
Dort las er das Werk Crist des angelsächsischen Dichters Cynewulf. Zwei Zeilen dieses Gedichtes sollten ihn nachhaltig beeinflussen:
Eala Earendel engla beorhtast
ofer middangeard monnum sended
= Heil dir Earendel, strahlendster Engel,
über Mittelerde den Menschen gesandt
Mit „Mittelerde“ ist hier die Welt der Menschen gemeint. Traditionell als „Lichtstrahl“ übersetzt, glaubte Tolkien, dass der Name „Earendel“ auf den Morgenstern, die Venus, verweist, der mit seinem Aufgehen das Ende der Nacht und den Anbruch des Tages ankündigt.
Dieser Zeitpunkt kann als Geburtsstunde seiner Mythologie angesetzt werden, denn schon ein Jahr später schrieb er das Gedicht The Voyage of Earendel the Evening Star, das mit den oben zitierten Zeilen beginnt und den Keim seiner Mittelerde-Mythologie bildet.
Diese Sicht des Schreibens nicht als Neuschöpfung, sondern als Entdeckungsreise blieb für ihn sein Leben lang bestimmend. Im Jahr nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in der zweiten Juniwoche 1915, schloss er sein Studium ab – diesmal mit Auszeichnung („First Class Honours“).
Tolkien wurde als Offizier für Signalwesen in das 11. Bataillon des Regiments der »Lancashire Fusiliers« berufen und nahm ab Sommer 1916 an der Schlacht an der Somme teil, der blutigsten Schlacht des Ersten Weltkrieges. Die Erfahrung der Grausamkeiten des Stellungskrieges traf ihn tief. Am 27. Oktober 1916 zeigte er die Symptome des Fleckfiebers und wurde am 8. November zur Behandlung nach England verschifft.
Während seines Genesungsurlaubes begann er mit seinem Projekt „The Book of Lost Tales“, das in dieser Form erst später durch seinen Sohn Christopher veröffentlicht wurde.
Hier benutzte er auch erstmals konsequent seine erfundenen Sprachen, insbesondere Quenya und Sindarin. Beide setzte er nun als Sprache der Elben in Mittelerde ein.
Sein Gesundheitszustand schwankte währenddessen, und die Gefahr, an die Front zurückgeschickt zu werden, schwebte ständig über ihm. Vorübergehend nach Yorkshire versetzt, erkrankte er bald wieder und wurde in das Sanatorium Harrogate verlegt. Wieder genesen zu einer Signalschule im Nordosten geschickt, erkrankte er nach Abschluss erneut und kam diesmal in das Offizierskrankenhaus nach Kingston upon Hull.
Während dieser Zeit, am 16. November 1917, gebar Edith ihren ersten gemeinsamen Sohn, der zu Ehren von Pater Francis auf den Namen John Francis Reuel getauft wurde. Ihm folgten am 22. Oktober 1920 Michael Hilary Reuel, am 21. November 1924 Christopher John Reuel und schließlich am 22. Dezember 1929 die Tochter Priscilla Anne Reuel. Die Zeit nach der Geburt des ersten Sohnes ist durch glückliche Momente geprägt: Bei Landausflügen in die Wälder der Umgebung sang und tanzte Edith für ihn – daraus entstand schließlich die Geschichte der großen Liebe zwischen dem sterblichen Helden Beren und der wunderschönen, aber unsterblichen Elbin Lúthien, die als ein Mittelpunkt des „Silmarillions“ gilt.
Erneut im Krieg erkrankt und erneut in ein Offizierskrankenhaus eingewiesen, nutzte Tolkien diesmal die Zeit, um sich neben der Arbeit an seiner Mythologie etwas Russisch beizubringen. Nach seiner Entlassung im Oktober stand das Ende des Krieges kurz bevor. Auf der Suche nach Arbeit wandte er sich daraufhin an einen seiner ehemaligen Oxforder Dozenten, William A. Craigie, der ihm eine Anstellung beim New English Dictionary verschaffte, so dass Tolkien im November 1918 mit Frau und Kind nach Oxford umziehen konnte.
Auch wenn sich in seiner Satire „Farmer Giles of Ham“ einige ironische Anspielungen auf seine Zeit beim New English Dictionary finden, war dies doch eine glückliche Zeit. Zum ersten Mal dauerhaft mit Edith vereint und im eigenen Haus lebend, fand er seine Tätigkeit auch intellektuell anregend. Später sollte er sagen, er habe zu keiner Zeit seines Lebens mehr gelernt. Er fand sogar noch Zeit, als Privatlehrer Studenten zu unterrichten – und dies war tatsächlich eine Tätigkeit, die sich als lukrativ genug herausstellte, um im Jahre 1920 die Mitarbeit am New English Dictionary beenden zu können. Doch auch wenn die finanzielle Situation akzeptabel war, hatte Tolkien seinen Wunsch immer noch nicht aufgegeben, eine akademische Laufbahn anzutreten. Da ergab sich überraschend im Sommer des Jahres 1920 eine Möglichkeit: In Leeds war die Stelle eines „Reader“ (außerordentlicher Professor) am Institut für englische Sprache freigeworden. Obwohl er anfänglich skeptisch über seine Chancen war, erhielt er die Stelle. Dies bedeutete allerdings auch eine weitere Trennung von Edith, die mit den beiden Söhnen in Oxford zurückblieb, bis sie 1921 nachziehen konnte. Nach vier Jahren in Leeds, im Jahr 1924, wurde für Tolkien schließlich eine Professur für englische Sprache eingerichtet.
In Gedichten aus dieser Zeit fanden sich die ersten Hinweise auf Kreaturen, die später in seiner Mittelerde-Mythologie ihren Platz finden sollten: Das Gedicht Glib zum Beispiel beschreibt ein schleimiges Wesen mit schwach-leuchtenden Augen, das tief in einer Höhle lebt und erinnert damit an die Figur des Gollum. Seine seriöse Mythologie, die heute im „Buch der verschollenen Geschichten“ vorliegt, war unterdessen fast fertig gestellt.
1925 wurde plötzlich der Rawlinson und Bosworth Lehrstuhl für Angelsächsisch in Oxford vakant. Tolkien bewarb sich und erhielt den Posten zugesprochen.
In den frühen 1920er und 1930er Jahren begann Tolkien, seinen Kindern regelmäßig fantasievolle Geschichten zu erzählen, die allerdings meist außerhalb der Mythenwelt spielen, an der er zu dieser Zeit bereits ernsthaft arbeitete.
Durch Vermittlung einer ehemaligen Studentin wurde der Verlag Allen&Unwin auf seine Erzählung „The Hobbit“ aufmerksam, die nach positiver Rezension durch den Sohn des Verlegers, Rayner Unwin, im Jahre 1937 veröffentlicht wurde. Auf Wunsch des Verlages begann Tolkien mit der Arbeit an einer Nachfolgeerzählung, die zunächst wie „The Hobbit“ als Kinderbuch angelegt war.
Während des Zweiten Weltkrieges zog sich die Arbeit an seinem Nachfolgeprojekt für den Hobbit hin, das jetzt den Namen „The Lord of the Rings“ trug, und wurde immer wieder durch andere Aufgaben unterbrochen.
Erst im Jahre 1954 wurde „The Lord of the Rings“ veröffentlicht. Die Verzögerung hatte zum einen mit Tolkiens Perfektionismus, zum anderen aber auch mit Tolkiens Wunsch nach einem Verlagswechsel zu tun, der durch die Ablehnung seines ernsthaften Mythenwerkes „The Silmarillion“ motiviert war. Somit trug Tolkien sein Werk dem Verlagshaus Collins an.
Nach anfänglichem Enthusiasmus bestand man dort jedoch auf weitreichenden Kürzungen, zu denen Tolkien nicht bereit war, so dass er sich reumütig wieder an seinen alten Verlag wandte. Rayner Unwin, der als Kind den Hobbit begutachtet hatte, war mittlerweile zum Juniorverleger aufgestiegen und nahm das Buch ohne weitere Korrekturen an. Aufgrund des gestiegenen Papierpreises in England wurde das Werk in drei Bänden („The Fellowship of the Ring“, „The Two Towers“, „The Return of the King“) veröffentlicht, so dass jeder Einzelband zu erschwinglichen Preisen angeboten werden konnte. Daher stammt der noch heute fälschlicherweise gebrauchte Name Trilogie für das Gesamtwerk, eine Bezeichnung, die Tolkien Zeit seines Lebens ablehnte, da er das Werk in sechs Bücher unterteilt hatte.
Anfang der 1960er erschien in den USA eine unautorisierte Kopie von The Lord of the Rings und löste eine Kultbewegung unter den Studenten aus, was Tolkien schnell zu einer Berühmtheit machte. Durch enge Anbindung an seine immer zahlreicher werdenden Fans, die zu seinen Gunsten erheblichen Druck auf den Verleger der Piratenausgabe ausübten, erreichte es Tolkien jedoch entgegen der für ihn ungünstigen Rechtslage, dass die Piratenedition eingestellt wurde, so dass bald nur noch die durch ihn autorisierte Fassung auf dem US-amerikanischen Markt erhältlich war.
Sein weiteres Leben verbrachte Tolkien mit dem Ausarbeiten des „Silmarillion“, das er jedoch bis zu seinem Lebensende nicht mehr fertig stellte und das erst nach seinem Tod von seinem Sohn Christopher Tolkien herausgegeben wurde.
Für ein paar Jahre zogen er und seine Frau Edith in das englische Seebad Bournemouth. Dort starb Edith 1971. Zwei Jahre später starb auch er im Alter von 81 Jahren. Das Grabmal der beiden befindet sich auf dem katholischen Teil des „Jordan Hill Cemetery“ in Oxford; auf den Grabsteinen stehen neben ihren Namen auch die Namen Beren und Lúthien – Zeichen für eine den Tod überdauernde Liebe.
Bereits vor dem Tod seines Vaters bearbeitete Christopher Tolkien die Schriftstücke seines Vaters und veröffentlichte seit 1977 unter anderem das „Silmarillion“ und von 1983 bis 1996 auch die „History of Middle-Earth“.
Dem Leben und Werk J. R. R. Tolkiens widmet sich in Deutschland heute die Deutsche Tolkien Gesellschaft (DTG).
Biographie:
John Ronald Reuel Tolkien wurde 1892 in Bloemfontein (Oranje-Freistaat - heute Südafrika) geboren. Seine Kindheit verlief recht ereignislos … bis auf einen Tarantelbiss. Das mag vielleicht auch der Grund gewesen sein, weswegen er in seinen späteren Werken oft Riesenspinnen mit einbrachte.
Mit 4 Jahren, nachdem sein Vater gestorben war, zog er mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Sarehole Mill, einem Vorort von Birmingham. Da diese Gegend von der sich zu dieser Zeit überall ausbreitenden Industrialisierung weitestgehend unberührt geblieben war, wurde dieser idyllische Ort später die Vorlage für das Auenland, ein Teil seiner mythologischen Welt. Hier wurde er auch zum ersten Mal mit dem Dialektwort „Gamgee“ vertraut, was Baumwolle bedeutete. Dieser Name sollte später der Name eines der Hauptpersonen in seinem Werk „der Herr der Ringe“ werden.
Da der junge Tolkien von seiner Mutter zum Glauben erzogen wurde, der sich auch durch sein ganzes Leben zog, prägte sich dieser in seine Werke mit ein.
Schon früh interessierte er sich für Sprachen, weswegen ihm seine Mutter Ansätze von Latein, Französisch und Deutsch beibrachte. Zu dieser Zeit wurde er auch mit verschiedenen nordischen Sagen konfrontiert, die später sehr wichtig für seine Werke sein sollten.
Zwischen 1900 und 1902 zog Tolkien mehrfach innerhalb von Birmingham um. All diese Stadtteile hatten Städtecharakter. Somit musste er die ländliche Idylle, die seine frühe Kindheit gezeichnet hatte, verlassen. Oft musste er die Schule wechseln und erlernte zum Schluss, an der King Edward's School Griechisch, Mittelenglisch und Altenglisch
Als er 12 Jahre alt war, starb auch seine Mutter, was für den jungen Tolkien vollkommen unbegreiflich war. Dieses Ereignis verstärkte seine pessimistische Grundhaltung und verband ihn zugleich noch enger mit der Kirche.
Die beiden Brüder kamen in die Obhut Pater Francis Morgans, eines mit ihrer Mutter befreundeten Priesters, der sie zunächst bei ihrer Tante Beatrice Bartlett, später bei einer befreundeten Pensionswirtin unterbrachte. Dort lernte Tolkien 1908 seine spätere Frau, die drei Jahre ältere Edith Bratt, kennen. Als sein Vormund davon erfuhr, verbot er Tolkien bis zum Erreichen seiner Volljährigkeit mit einundzwanzig Jahren jeden Kontakt mit Edith.
In der Schule wurde Tolkien unterdessen auf die Philologie, die Wissenschaft von den Gesetzmäßigkeiten der Sprache, aufmerksam. Von diesen Kenntnissen angespornt, begann er bald damit, eigene Sprachen zu erfinden.
Die enge Beschäftigung mit Sprachen zeigte sich bald auch in der Schule, wo Tolkien seine Zuhörer bei (damals meist in Latein gehaltenen) Debatten bald mit fließenden Vorträgen in Griechisch, Gotisch oder Altenglisch überraschte.
Bald begann Tolkien ernsthaft damit, Gedichte zu schreiben, in denen erstmals im Waldland tanzende Feen auftraten.
Im Dezember 1910 bekam Tolkien ein Stipendium des Exeter College in Oxford. Dort studierte er die klassischen Sprachen Latein und Griechisch und ihre Literatur, aber schon bald langweilte er sich dabei. Einzig die „Vergleichende Sprachwissenschaft“ konnte sein Interesse auf sich ziehen. Sein Professor in diesem Fach wies ihn auf das Walisische hin, dem sich Tolkien daraufhin begeistert zuwandte. Bald begann er auch, sich mit dem Finnischen auseinanderzusetzen.
Das Ergebnis von dies allem sollte Jahre später als Quenya, Hochsprache der Elben, Eingang in seine mythologische Welt Mittelerde finden.
Am 22. Januar 1916 heiratete er seine Jugendliebe Edith.
Durch seine Vernachlässigung des eigentlichen Lehrstoffs zugunsten seiner zahlreichen Sprachinteressen schloss er eine Zwischenprüfung nach zwei Jahren Studium für ihn enttäuschend nur mit einem „Second“ (also einer 2) ab. Auf Anregung seines Colleges, wo sein Interesse an germanischen Sprachen aufgefallen war, wechselte er daraufhin an das Institut für englische Sprache und Literatur.
Dort las er das Werk Crist des angelsächsischen Dichters Cynewulf. Zwei Zeilen dieses Gedichtes sollten ihn nachhaltig beeinflussen:
Eala Earendel engla beorhtast
ofer middangeard monnum sended
= Heil dir Earendel, strahlendster Engel,
über Mittelerde den Menschen gesandt
Mit „Mittelerde“ ist hier die Welt der Menschen gemeint. Traditionell als „Lichtstrahl“ übersetzt, glaubte Tolkien, dass der Name „Earendel“ auf den Morgenstern, die Venus, verweist, der mit seinem Aufgehen das Ende der Nacht und den Anbruch des Tages ankündigt.
Dieser Zeitpunkt kann als Geburtsstunde seiner Mythologie angesetzt werden, denn schon ein Jahr später schrieb er das Gedicht The Voyage of Earendel the Evening Star, das mit den oben zitierten Zeilen beginnt und den Keim seiner Mittelerde-Mythologie bildet.
Diese Sicht des Schreibens nicht als Neuschöpfung, sondern als Entdeckungsreise blieb für ihn sein Leben lang bestimmend. Im Jahr nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in der zweiten Juniwoche 1915, schloss er sein Studium ab – diesmal mit Auszeichnung („First Class Honours“).
Tolkien wurde als Offizier für Signalwesen in das 11. Bataillon des Regiments der »Lancashire Fusiliers« berufen und nahm ab Sommer 1916 an der Schlacht an der Somme teil, der blutigsten Schlacht des Ersten Weltkrieges. Die Erfahrung der Grausamkeiten des Stellungskrieges traf ihn tief. Am 27. Oktober 1916 zeigte er die Symptome des Fleckfiebers und wurde am 8. November zur Behandlung nach England verschifft.
Während seines Genesungsurlaubes begann er mit seinem Projekt „The Book of Lost Tales“, das in dieser Form erst später durch seinen Sohn Christopher veröffentlicht wurde.
Hier benutzte er auch erstmals konsequent seine erfundenen Sprachen, insbesondere Quenya und Sindarin. Beide setzte er nun als Sprache der Elben in Mittelerde ein.
Sein Gesundheitszustand schwankte währenddessen, und die Gefahr, an die Front zurückgeschickt zu werden, schwebte ständig über ihm. Vorübergehend nach Yorkshire versetzt, erkrankte er bald wieder und wurde in das Sanatorium Harrogate verlegt. Wieder genesen zu einer Signalschule im Nordosten geschickt, erkrankte er nach Abschluss erneut und kam diesmal in das Offizierskrankenhaus nach Kingston upon Hull.
Während dieser Zeit, am 16. November 1917, gebar Edith ihren ersten gemeinsamen Sohn, der zu Ehren von Pater Francis auf den Namen John Francis Reuel getauft wurde. Ihm folgten am 22. Oktober 1920 Michael Hilary Reuel, am 21. November 1924 Christopher John Reuel und schließlich am 22. Dezember 1929 die Tochter Priscilla Anne Reuel. Die Zeit nach der Geburt des ersten Sohnes ist durch glückliche Momente geprägt: Bei Landausflügen in die Wälder der Umgebung sang und tanzte Edith für ihn – daraus entstand schließlich die Geschichte der großen Liebe zwischen dem sterblichen Helden Beren und der wunderschönen, aber unsterblichen Elbin Lúthien, die als ein Mittelpunkt des „Silmarillions“ gilt.
Erneut im Krieg erkrankt und erneut in ein Offizierskrankenhaus eingewiesen, nutzte Tolkien diesmal die Zeit, um sich neben der Arbeit an seiner Mythologie etwas Russisch beizubringen. Nach seiner Entlassung im Oktober stand das Ende des Krieges kurz bevor. Auf der Suche nach Arbeit wandte er sich daraufhin an einen seiner ehemaligen Oxforder Dozenten, William A. Craigie, der ihm eine Anstellung beim New English Dictionary verschaffte, so dass Tolkien im November 1918 mit Frau und Kind nach Oxford umziehen konnte.
Auch wenn sich in seiner Satire „Farmer Giles of Ham“ einige ironische Anspielungen auf seine Zeit beim New English Dictionary finden, war dies doch eine glückliche Zeit. Zum ersten Mal dauerhaft mit Edith vereint und im eigenen Haus lebend, fand er seine Tätigkeit auch intellektuell anregend. Später sollte er sagen, er habe zu keiner Zeit seines Lebens mehr gelernt. Er fand sogar noch Zeit, als Privatlehrer Studenten zu unterrichten – und dies war tatsächlich eine Tätigkeit, die sich als lukrativ genug herausstellte, um im Jahre 1920 die Mitarbeit am New English Dictionary beenden zu können. Doch auch wenn die finanzielle Situation akzeptabel war, hatte Tolkien seinen Wunsch immer noch nicht aufgegeben, eine akademische Laufbahn anzutreten. Da ergab sich überraschend im Sommer des Jahres 1920 eine Möglichkeit: In Leeds war die Stelle eines „Reader“ (außerordentlicher Professor) am Institut für englische Sprache freigeworden. Obwohl er anfänglich skeptisch über seine Chancen war, erhielt er die Stelle. Dies bedeutete allerdings auch eine weitere Trennung von Edith, die mit den beiden Söhnen in Oxford zurückblieb, bis sie 1921 nachziehen konnte. Nach vier Jahren in Leeds, im Jahr 1924, wurde für Tolkien schließlich eine Professur für englische Sprache eingerichtet.
In Gedichten aus dieser Zeit fanden sich die ersten Hinweise auf Kreaturen, die später in seiner Mittelerde-Mythologie ihren Platz finden sollten: Das Gedicht Glib zum Beispiel beschreibt ein schleimiges Wesen mit schwach-leuchtenden Augen, das tief in einer Höhle lebt und erinnert damit an die Figur des Gollum. Seine seriöse Mythologie, die heute im „Buch der verschollenen Geschichten“ vorliegt, war unterdessen fast fertig gestellt.
1925 wurde plötzlich der Rawlinson und Bosworth Lehrstuhl für Angelsächsisch in Oxford vakant. Tolkien bewarb sich und erhielt den Posten zugesprochen.
In den frühen 1920er und 1930er Jahren begann Tolkien, seinen Kindern regelmäßig fantasievolle Geschichten zu erzählen, die allerdings meist außerhalb der Mythenwelt spielen, an der er zu dieser Zeit bereits ernsthaft arbeitete.
Durch Vermittlung einer ehemaligen Studentin wurde der Verlag Allen&Unwin auf seine Erzählung „The Hobbit“ aufmerksam, die nach positiver Rezension durch den Sohn des Verlegers, Rayner Unwin, im Jahre 1937 veröffentlicht wurde. Auf Wunsch des Verlages begann Tolkien mit der Arbeit an einer Nachfolgeerzählung, die zunächst wie „The Hobbit“ als Kinderbuch angelegt war.
Während des Zweiten Weltkrieges zog sich die Arbeit an seinem Nachfolgeprojekt für den Hobbit hin, das jetzt den Namen „The Lord of the Rings“ trug, und wurde immer wieder durch andere Aufgaben unterbrochen.
Erst im Jahre 1954 wurde „The Lord of the Rings“ veröffentlicht. Die Verzögerung hatte zum einen mit Tolkiens Perfektionismus, zum anderen aber auch mit Tolkiens Wunsch nach einem Verlagswechsel zu tun, der durch die Ablehnung seines ernsthaften Mythenwerkes „The Silmarillion“ motiviert war. Somit trug Tolkien sein Werk dem Verlagshaus Collins an.
Nach anfänglichem Enthusiasmus bestand man dort jedoch auf weitreichenden Kürzungen, zu denen Tolkien nicht bereit war, so dass er sich reumütig wieder an seinen alten Verlag wandte. Rayner Unwin, der als Kind den Hobbit begutachtet hatte, war mittlerweile zum Juniorverleger aufgestiegen und nahm das Buch ohne weitere Korrekturen an. Aufgrund des gestiegenen Papierpreises in England wurde das Werk in drei Bänden („The Fellowship of the Ring“, „The Two Towers“, „The Return of the King“) veröffentlicht, so dass jeder Einzelband zu erschwinglichen Preisen angeboten werden konnte. Daher stammt der noch heute fälschlicherweise gebrauchte Name Trilogie für das Gesamtwerk, eine Bezeichnung, die Tolkien Zeit seines Lebens ablehnte, da er das Werk in sechs Bücher unterteilt hatte.
Anfang der 1960er erschien in den USA eine unautorisierte Kopie von The Lord of the Rings und löste eine Kultbewegung unter den Studenten aus, was Tolkien schnell zu einer Berühmtheit machte. Durch enge Anbindung an seine immer zahlreicher werdenden Fans, die zu seinen Gunsten erheblichen Druck auf den Verleger der Piratenausgabe ausübten, erreichte es Tolkien jedoch entgegen der für ihn ungünstigen Rechtslage, dass die Piratenedition eingestellt wurde, so dass bald nur noch die durch ihn autorisierte Fassung auf dem US-amerikanischen Markt erhältlich war.
Sein weiteres Leben verbrachte Tolkien mit dem Ausarbeiten des „Silmarillion“, das er jedoch bis zu seinem Lebensende nicht mehr fertig stellte und das erst nach seinem Tod von seinem Sohn Christopher Tolkien herausgegeben wurde.
Für ein paar Jahre zogen er und seine Frau Edith in das englische Seebad Bournemouth. Dort starb Edith 1971. Zwei Jahre später starb auch er im Alter von 81 Jahren. Das Grabmal der beiden befindet sich auf dem katholischen Teil des „Jordan Hill Cemetery“ in Oxford; auf den Grabsteinen stehen neben ihren Namen auch die Namen Beren und Lúthien – Zeichen für eine den Tod überdauernde Liebe.
Bereits vor dem Tod seines Vaters bearbeitete Christopher Tolkien die Schriftstücke seines Vaters und veröffentlichte seit 1977 unter anderem das „Silmarillion“ und von 1983 bis 1996 auch die „History of Middle-Earth“.
Dem Leben und Werk J. R. R. Tolkiens widmet sich in Deutschland heute die Deutsche Tolkien Gesellschaft (DTG).