Pooly's Kunst und Schreibforum

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    Nicholas Evans - Die wir am meisten lieben

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    Beitrag von Pooly Do 19 Apr 2012, 11:52

    NICHOLAS EVANS -
    DIE WIR AM MEISTEN LIEBEN


    Nicholas Evans - Die wir am meisten lieben 41fdtj10

    Genre: (Familien-)Drama, Belletristik
    Seiten: 367 Seiten
    Verlag: Rütten & Loening
    Erschienen: 16. November 2011
    ISBN-10: 3352008159
    ISBN-13: 978-3352008153
    Preis: 19,99 Euro

    INHALT
    England 1959: Es gibt wenig Liebe im Leben des achtjährigen Tommy; seine Helden sind die Cowboys in den Westernserien, doch er selbst ist ein schüchterner Junge. Sein einziger Lichtblick ist seine Schwester Diane, die versucht, in Hollywood ihr Glück als Schauspielerin zu machen. Als Tommy in ein Internat kommt, in dem die Devise herrscht „Immer tapfer sein“, wird er von allen anderen gehänselt und gequält. Diane rettet ihn und nimmt ihn mit nach Hollywood – doch dann kommt es zu einer Katastrophe, die Tommys Leben für immer verändert. Vierzig Jahre später ist Tom ein anerkannter Journalist und Dokumentarfilmer. Das Geheimnis seiner Vergangenheit trägt er immer noch mit sich herum. Bis plötzlich sein Sohn, den er kaum kennt, in Schwierigkeiten gerät. Man wirft Danny vor, im Irak an einem Massaker an Zivilisten beteiligt zu sein. Tom begreift, dass er eine Familie hat – und dass er eine alte Schuld begleichen muss.
    Aber warum lassen wir den Autoren nicht selbst kurz zu Wort kommen?


    ÜBER DEN AUTOR
    Nicholas Evans wuchs in Worcestershire, England auf. Er studierte Rechtswissenschaften an der Oxford University und arbeitete als Journalist. Von 1982 an schrieb er fürs Fernsehen und Kino. 1993 traf er einen Schmied, der ihm von einem Pferdeflüsterer erzählte - Evans begann daraufhin an seinem ersten Roman zu arbeiten, der in 36 Sprachen übersetzt und ein Megabestseller wurde. Verfilmt wurde das Buch mit Robert Redford. Auf seinen neuen Roman musste das Publikum über fünf Jahre warten, weil er wegen einer schweren Pilzvergiftung zwei Jahre lang jeden Tag zur Dialyse musste. Gleichzeitig erscheint im Verlag Rütten & Loening der neue Roman von Nicolas Evans: „Die wir am meisten lieben“.

    MEINE MEINUNG
    Ich habe dieses Buch innerhalb von 3 Tagen durchgelesen und empfand die Lektüre als angenehm. Normalerweise lese ich eher selten Belletristik oder Dramen, aber da ich in letzter Zeit eh alle Genres wild durcheinander lese und meine letzten Lektüren eher spannend waren, kam mir dieses ruhige Buch sehr gelegen.

    Es handelt vom kleinen Tommy - später nur noch Tom - dessen Leben gezeichnet vom Verlust und von Schmerzen ist. Er war schon immer ein recht sonderbarer Junge und mit dem Gefühl lebend, dass er von seinen Eltern nie wirklich geliebt wurde - nur von seiner liebevollen, älteren Schwester - muss er sein Heim für ein Internat verlassen, auf dem Lehrer und Schüler schrecklich und streng sind. Hilfesuchend wendet schreibt er einen Brief an seine Schwester Diane, die beschließt, ihn dort herauszuholen, denn sie ist alt genug und hat sich eine Zukunft in Hollywood aufgebaut, wo sie schon jetzt in aller Munde ist. Doch sie birgt auch ein dunkles Geheimnis, das Tommys Leben von Grund herauf umkrempeln soll. Viele Jahre später lernen wir den kleinen Tommy von damals als erwachsenen Mann kennen, über 50, ehemaliger Alkoholiker und geschieden. Von seinem Sohn ist er schon lange abgekapselt, auch wenn er schon länger wieder Kontakt mit ihm sucht, ist Dan nicht daran interessiert, Tom zum Vater zu haben. Bis etwas Schreckliches geschieht und Tom einsieht, dass seine Rolle als Vater gebraucht wird - ob sein Sohn möchte oder nicht!

    Das Buch spielt, wie die Inhaltsangabe schon andeutet, auf mehreren Zeitebenen. Einerseits haben wir den kleinen Tommy, der Western über alles liebt, alle Tricks kennt, seine Helden verehrt und sich oft in seine Fantasiewelten flüchtet, um der trockenen Welt zu entkommen, in der er lebt. So erleben wir aus seiner Sicht erzählt sein Leben im Internat und auch all seine späteren Tage bei seiner Schwester Diane mit. Gleichzeitig gibt es immer wieder Kapitel auf einer späteren Zeitebene, die der ältere, erwachsene Tom erzählt. Von den Problemen mit seiner Familie - und auch von der düsteren Vergangenheit, die er damals sogar seiner Frau verschwiegen und verlogen hat. Ist vielleicht das das Problem gewesen, fragt er sich immer wieder. Würden die Menschen ihn besser verstehen, wenn er ihnen keine Lügen auftischen würde? Und was kann er tun, um seinem Sohn zu zeigen, dass er ihm nicht egal ist?
    Ebenfalls gibt es später immer wieder Kapitel aus der Sicht von Diane - Tommys Schwester - und Ray, Dianes Freund und Ehemann. Dabei folgen diese Kapitel nicht immer einer geradlinigen Erzählweise, sondern sind immer wieder gespickt mit Erinnerungen und Rückblicken, was den Aufbau sehr verschachtelt macht, der Autor fädelt es jedoch so geschickt ein, dass man als Leser mit den Zeit- und Handlungssträngen trotzdem nie durcheinander kommt und immer genau weiß, an welcher Stelle der Geschichte man sich befindet.

    Die allgemein sehr dramatische Situation wird in einem überraschend ruhigen Stil geschildert, selbst bei schweren Schicksalsschlägen bleibt der Stil realistisch und ist nicht darauf aus, den Leser zu Tränen zu rühren. Er zeigt auf, schildert, aber die stille Dramatik versteckt sich teilweise sehr zwischen den Zeilen. Und je mehr man liest, umso klarer wird: Es sind Lügen, die die Welt von Tommy so zerstört haben, wie sie ist. Immer wieder Lügen. Lügen, wegen denen seine Eltern ihn nie wirklich so geliebt haben, wie er es verdiente, Lügen, wegen der seine Welt irgendwann zusammen bricht. Lügen, wegen denen er alles verliert - nicht seine eigenen Lügen. Die sind es nur, die seine Welt am Ende zerstört haben, ihn von seinem Sohn und seiner Frau getrennt haben. So klingt auch dem Glück, das er während seines Aufenthalts bei Diane in Hollywood hat, immer wieder ein bitterer Nachgeschmack nach, allein schon weil der Leser durch den Prolog das bittere Ende erahnen kann.

    Die Charaktere sind allesamt farbenfroh und realistisch geschildert, jeder hat allein schon vom Schreibstil her seinen eigenen Ton. Der kleine, liebe Tommy, der seine Western und seine Kindlichkeit so liebt und trotzdem von allen Seiten dazu gedrängt zu werden scheint, endlich ein Mann zu werden - mit 8 Jahren. Diane, die voller Liebe für ihren kleinen Bruder ist und erst spät in ihrem Leben erkennt, dass die Entscheidungen, die sie als junges Mädchen getroffen hat, sie nie wirklich glücklich machen können. Ray, der viel mit abfälligen Worten um sich wirft und immer eine gewisse Aggressivität an den Tag legt, auch wenn er Diane über alles liebt. Und der erwachsene Tom, der einsame Mann, der noch immer nicht so recht zu wissen scheint, wer er ist. Und wohin er gehört. Unverstanden von den Menschen um ihn herum, weil sie nicht wissen, warum er so ist, wie er ist, was ihn dazu gemacht hat.
    Diese Vielfalt der Charaktere hat mir gut gefallen, weil durch sie und die verschiedenen Probleme, die sie haben, Abwechslung in den Stil und in die Geschichte kommt. Mit einer wunderschönen und immer anschaulichen Schreibstil untermauert, erkennt man durch die Wirrungen der Erinnerungen und Stränge, dass es nie etwas gegeben hat, das Tommy dauerhaft geblieben wäre, jeder Mensch, jede Wahrheit in seinem Leben irgendwann genommen. Und er selbst sieht ein, dass er seine düstere Vergangenheit ihn immer begleiten wird, wohin er auch geht.

    Den vielen Handlungssträngen selbst haftet teilweise aber auch eine gewisse Langatmigkeit an. Man kann den Text trotzdem sehr flüssig lesen, das kann ich nur betonen, trotzdem hatte ich bei einigen Kapiteln das Gefühl, sie hätten auch ruhig halb so lang sein können, denn ab und an wurde mir der Roman in all seiner Ruhe teilweise dann doch etwas zu ruhig.

    Dem Ende haftet Wehmut an, aber es geht weiter, es wird immer weiter gehen. Trotzdem empfand ich das Buch als relativ leicht verdaut. Hier hätte ich mir vielleicht noch etwas mehr Nachhall gewünscht, es fiel mir aber relativ leicht, es nach dem Lesen wieder ins Regal zu stellen, was ich bei der sehr nachdenklichen Handlung nicht erwartet hatte. Ich hatte eher mit einem Ende gerechnet, das einem noch lange durch den Kopf geistert, das war aber (leider) nicht ganz der Fall.

    Die Fähigkeit zu vergeben war
    eins der mysteriösesten Wunder im Leben.
    Tom wünschte, er könnte davon etwas mehr
    in seinem eigenen Herzen finden.


    FAZIT
    Eine wunderschön geschriebene Geschichte darüber, wie sehr Lügen den Zusammenhalt einer Familie belasten können, auch wenn man sie nicht immer primär als Auslöser für Disharmonie wahrnimmt. Der Roman hat interessante Charaktere und bleibt in seiner Grundstimmung vom Anfang bis zum Ende hin sehr ruhig. Etwas schade war, dass der eigentliche Schicksalsschlag, auf den alles hinausläuft, schon im Prolog verraten wird und dadurch einiges an unterschwelliger Spannung verloren geht. Insgesamt hat mir dieses Buch gut gefallen. Es war nicht überragend, aber Freunden des Genres und stiller, nachdeklicher Romane wird es sicher gut gefallen. Von mir bekommt "Die wir am meisten lieben" 3 ½ von 5 Sternen. Kein Buch, von dem ich jemandem abraten würde, wer sich für ruhige Literatur interessiert, aber auch nicht überragend.

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    Beitrag von Jojo Do 19 Apr 2012, 14:33

    Hey Marie,

    Vielen Dank für deine Vorstellung.
    Schön, dass du das Buch so schnell durchgelesen hast.

    Der Inhalt klingt ganz interessant und auch deine Meinung dazu ist ja durchaus positiv. Wobei ich trotzdem nicht unbedingt sagen kann, ob ich es lesen würde. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es mir vielleicht zu ruhig sein könnte.
    Nun ja, vielleicht lese ich es ja mal :)

    Liebe Grüße
    Jojo
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    Beitrag von Pooly Do 19 Apr 2012, 14:40

    Hallo Jojo,

    danke, dass du dir die Rezension durchgelesen hast, das freut mich aber. Das Buch war auch wirklich sehr schnell durchzulesen, vor allem wegen des angenehmen Schreibstils, finde ich. Es ist aber, wie ja gesagt, jetzt auch kein Buch, von dem ich sage, dass man es unbedingt gelesen haben muss, es war auch teilweise ein bisschen langatmig. Aber wenn du irgendwann mal Entspannung und ganz viel Ruhe beim Lesen brauchst, dann kannst du dich ja hieran erinnern Wink

    Liebe Grüße,
    Marie
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    Beitrag von Tin Do 19 Apr 2012, 21:37

    Huhu Marie,

    wie interessant, das Buch hatte ich letztens noch in der Hand, aber ich dachte: Schau erst mal nach Rezensionen. Very Happy

    Ich finde es vom Inhalt sehr interessant und da ich ja selbst oft so ein nachdenklicher, ruhiger Mensch bin ... vielleicht passt es ja total gut zu mir. ^^ Mal sehen, ob ich es lesen werde. Wenn ja, werde ich dir natürlich berichten, wie es mir gefallen hat!!

    Liebe Grüße,
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    Beitrag von Pooly Do 19 Apr 2012, 21:40

    Hey Tin,

    danke, dass du die Rezension gelesen hast, das freut mich ja, dass ich dir vielleicht etwas "Klarheit" verschaffen konnte, wo du das Buch ja nun sogar schon einmal in der Hand hattest. Ich habe mich damals dafür entschieden, weil ich das Cover so schön fand und auch der Inhalt vielversprechend klang. Und ja, es hat mir auch ganz gut gefallen, vielleicht wäre es ja etwas für dich.
    Sag auf jeden Fall Bescheid, wenn du es gelesen haben solltest.

    Liebe Grüße,
    Marie

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