„Jane Eyre“. Ein Titel, der vielen ein Begriff ist. Nicht nur als Werk der britischen Autorin Charlotte Bronte, sondern wohl auch dank zahlreichen Verfilmungen – mochten sie großen Produktionen entsprungen sein oder lediglich für das Fernsehen bestimmt sein.
Trotzdem scheint die Geschichte um die unauffällige Gouvernante noch nicht ihren Reiz verloren zu haben, da sich Cary Fukunaga erneut an eine Verfilmung wagte, die am 01. Dezember 2011 in den deutschen Kinos anlaufen wird und mit Schauspielern wie Mia Wasikowska (The Kids Are Allright, Alice in Wonderland), Michael Fassbender (X-Men: First Class, Fish Tank) und Jamie Bell (Jumper, Billy Elliot) zu überzeugen weiß.
Trotz des Ruhms der Romanvorlage muss ich gestehen, dass ich die Geschichte um Jane Eyre vor dem Film nicht kannte. Während andere Mädchen die Geschichten der Bronte-Schwestern verschlungen haben, gingen sie an mir schlichtweg vorüber. Nach der sehr stimmigen Verfilmung bin ich aber am Überlegen, ob ich die Werke noch nachholen werde – sobald der Rest meiner ungelesenen Bücher abgearbeitet ist. Aber nun zum Film!
„Jane Eyre“ von Fukunaga beginnt mit einer jungen Frau, die wir später als Jane Eyre kennenlernen, welche unter Tränen bei Anbruch des Tages von einem Anwesen flieht. Als unwissender Zuschauer ohne Roman-Background weiß man zuerst nicht, wieso sie flieht. Und vor allem: vor wem. Das zierliche Mädchen läuft und läuft, verirrt sich in der Ungewissheit und scheint dabei verloren zu gehen. Erst im Nachhinein begreift man, dass Jane Eyre in diesem Moment in Wahrheit vor ihrem Herzen davonlief.
Unterschlupf und Schutz findet sie schließlich bei John Rivers und dessen beiden Schwestern, die sie liebevoll aufnehmen und um die erschöpfte Jane kümmern, welche unter falschen Namen zu einem Teil des Haushalts wird, schließlich fast zu einem Familienmitglied selbst.
Vor dem prasselnden Feuer im Hause der Rivers erlebt der Zuschauer die schreckliche Vergangenheit der jungen Jane Eyre in Form von Rückblenden. Lieblose Verwandte, Schläge, ein Leben im Internat, begleitet von Psychoterror und Verlust – all das zeichnet die sensible Seele der intelligenten und ruhigen Jane.
Nach der Beleuchtung ihrer Kindheit rückt die eigentliche Geschichte in den Vordergrund: Als junge Erwachsene kann Jane Eyre (Mia Wasikowska) das Internat verlassen und nimmt einen Platz als Gouvernante auf Thornfield an, wo sie erst nach Monaten den eigentlichen Hausherrn – Mr. Rochester (Michael Fassbender) – bei einem Unfall im Wald kennenlernt. Das erste Aufeinandertreffen der beiden verläuft weniger gut; Mr. Rochester gibt sich kühl, distanziert und deutlich genervt. Und trotzdem wird das Verhältnis der beiden im Laufe der Wochen und Monate intensiver. Gefühle entwickeln sich zwischen Mr. Rochester und Jane, wo eigentlich keine sein sollten. Wer nun eine problemlose Liebesgeschichte erwartet, wird enttäuscht. Nicht nur, dass Mr. Rochester unerwartet um die Hand der schönen Miss Ingram anhält, nein, vielmehr trägt er ein anderes, erschreckendes Geheimnis mit sich herum, das schließlich dazu führt, dass Jane unter Tränen von Thornfield flieht …
Es sind ruhige Bilder, die „Jane Eyre“ in der jüngsten Verfilmung auszeichnen. Ruhige, aber sehr schöne Bilder in gedeckten, sanften Farben, welche die Stimmung und die damalige Zeit perfekt widerspiegeln. Die Kameraführung, Schnitte und Bilder von „Jane Eyre“ gehören zu den schönsten, die ich – objektiv betrachtet – die letzten Wochen in Filmen gesehen haben. Alles ist stimmig und lässt zu, dass sich die Atmosphäre um das Drama der Jane Eyre entfalten und ausbreiten kann. Optisch gibt es daher nichts, was ich bemängeln kann. Auch der Soundtrack von Dario Marianelli fällt einem ausschließlich im positiven Sinne auf; er drängt sich nicht zu sehr in den Vordergrund und ist trotzdem so schön, dass jeder Soundtrack-Liebhaber ihm etwas Aufmerksamkeit zukommen lassen sollte.
Schauspielerisch war mir Mia Wasikowska die erste Hälfte des Films etwas zu blass in ihrer Rolle. Im Laufe der Geschichte bessert sich das, zum Glück. Doch obwohl sie der titelgebenden Protagonistin Leben einhaucht, ist nicht sie es, die für mich der eigentliche Star des Films ist. Denn Applaus und Aufmerksamkeit hat Michael Fassbender als innerlich zerrissener Mr. Rochester verdient. Ich habe jüngst auch mit einer Dame gesprochen, die alle möglichen „Jane Eyre“-Verfilmungen sah und meine Ansicht teilte, indem sie sagte, dass Michael Fassbender bisher die beste Darbietung als undurchsichtiger Hausherr abgab. In seiner Rolle als Mr. Rochester hat Fassbender einfach eine Präsenz auf der Leinwand, der man sich nicht entziehen kann, während Wasikowska als Jane farblos und unauffällig neben ihm verblasst.
Somit ist es kein Wunder, dass vor allem das Drama auf Thornfield die Verfilmung interessant machen. Natürlich ist auch Janes Erinnerung an ihre Kindheit interessant und für den Verlauf der Geschichte von Nöten, aber nichts, was einen zwingend an den Sitz fesselt. Die Szenen im Hause der Rivers empfand ich sogar als langweilig, schleppend und uninteressant – was aber nichts gegen Jamie Bell ist, sondern schlicht gegen dieses Fragment des Plots. Und so wartet man am Ende des Films nur auf den Moment, in welchem Jane sich losreißt und zurück nach Thornfield kehrt. Auch wenn ich nicht verrate, was Jane dort erwartet, hatte ich zum Schluss hin doch das erste Mal ein paar rebellische Tränen in den Augen.
„Jane Eyre“ ist ein schöner Film, wird aber wegen seiner ruhigen Geschichte wohl leider keinen (verdienten) Anklang im Kino finden – zumindest ist das meine Vermutung. Optisch mit der Einfachheit der Bilder bezaubernd, ist der Plot der Geschichte wie eine Achterbahnfahrt: mal sehr interessant, mal weniger interessant.
Für Drama-Fans, Leseraten und Historien-Liebhaber eindeutig ein empfehlenswerter Film.
7,5 von 10 brennenden Schlafzimmern und ein Sternchen für Michael Fassbender.
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Jemand hier, der vorhat, sich den Film im Dezember anzusehen? :)
Oder seid ihr schon von "Jane Eyre"-Verfilmungen gesättigt?
P.S. Der Trailer wird dem Film nicht gerecht und wirft ein falsches Licht auf ihn. Nein, es ist nicht so übertrieben dramatisch. Nein, es hat keinen Gothic-Touch.