Liebe Virgi,
wie versprochen schreibe ich dir nun ein längeres Review zu dem Gedicht.
Inhalt:
Ein tierisches Rätsel
Der Titel ist auf der einen Seite gut gewählt, da er schon einen Hinweis auf das
Gedicht gibt. Auf der anderen Seite klingt er ein wenig altbacken. Das "Rätsel" weckt zwar Neugier,
aber haut den Leser auch nicht wirklich vom Hocker. Da hätte man bestimmt noch
was Kreativeres nehmen können (mal als Beispiel: "Springinsfeld"). Schlecht ist der Titel aber auf keinen Fall.
Saftig grüne Wiesen und schattige Wälder
Sind ebenso meine Heimat wie korngelbe Felder.
Der Anfang gefällt mir super. Du verwendest schöne Adjektive und man bekommt sofort ein Bild vor Augen,
wie der Lebensraum des Tieres aussieht. Es wird jedoch noch nicht soviel vorweggenommen, dass man das Tier sofort errät.
Auch in unterirdischen Gängen bin ich zu Haus,
Flüchte vor Raubvögeln, die sind mir ein Graus!
Von der Oberwelt wechselst du plötzlich in die Unterwelt. Die Auswahl an Tieren wird damit schon eingeschränkt,
aber man kann das gesuchte Tier lediglich vage erahnen.
Mein Leben ist die Natur, ich will sie genießen,
Immer dort sein, wo duftende Blumen sprießen.
Hier kommt das gesuchte Tier sehr sympathisch herüber. Man bekommt als Leser den Eindruck, dass es ein ganz friedliches Tier
sein muss.
Nie könnte ich ein Jäger sein, mein sanftes Gemüt
Wird von keiner eiskalten Brutalität getrübt.
Diese Strophe verstärkt noch den Eindruck aus der letzten Strophe.
Dafür schätze ich Möhren, knabbere Löwenzahn,
Der wahrhaft köstlich schmeckt in freier Wildbahn!
Hier wird nun offensichtlich, dass es sich um Kaninchen handeln muß. Ein wenig find ich es allerdings schade, dass
man praktisch schon im Mittelteil die Auflösung bekommt. Versteckte Andeutungen und das Führen auf eine falsche Fährte
hätte ich bei dem Gedicht noch viel spannender gefunden.
Eine Anmerkung noch zu den Möhren: Das Hauskaninchen liebend gerne Möhren futtern, ist bekannt, bei Wildkaninchen bezweifle ich das aber fast.
Vor neugierigen Wanderern bin ich stets auf der Hut,
Diesen Riesen zu begegnen fehlt mir eindeutig der Mut.
Diese Strophe hätte ich mir vor der Anderen gewünscht. Sie gibt zwar einen Tendenz zu Kaninchen, aber es gibt viele scheue Tiere. Die zweite Zeile finde ich süß. Die passt hervorragend zum Ausdruck "Angsthase"
Da hoppele ich davon zu meinen Gefährten,
Erkunde lieber heimlich menschenleere Gärten.
Hier wird auch sehr offensichtlich, dass es definitiv ein kaninchen ist. Die erste Zeile klingt sehr niedlich. Zeigt aber auch, dass
Kaninchen die Gemeinschaft ihrer Artgenossen sehr schätzen. In der zweiten Zeile könnte man den Begriff "menschenleere" hinterfragen. In der Strophe zuvor spricht das Kaninchen noch von Riesen und nun verwendet es diesen Ausdruck.
Wen ich von ganzem Herzen mag, den knuffe ich
Im Gegenzug putzt und beschnüffelt man mich.
Die mit Abstand niedlichste Strophe im ganzen Gedicht. Man muß Kaninchen einfach mögen. Hier kommt auch noch mal sehr schön das friedliche Verhalten der Tiere herüber.
Höre ich da nun eure Fragen,
Hin und wieder sogar Klagen,
Welches Tier ich denn nun sei,
Und Wann alle Rätsel sind vorbei?
Nein, denn wir wissen doch schon längst die Antwort! :-P ... nein im Ernst, diese Strophe einzubauen, finde ich sehr gut,
da sie einen Bezug zum Titel herstellt. Sie spricht den Leser direkt an und ich denke speziell kleine Kinder mögen sowas sehr.
Die Antwort will ich euch endlich verraten,
Sollt euch nicht länger quälen mit Warten.
Yippieh! Für kleine Kinder echt schön, die sind ja immer besonders ungeduldig und wollen eine Bestätigung ob sie nun auch richtig liegen.
Lange Schlappohren habe ich und kuschelig weiches Fell
- Ich bin ein Kaninchen, das erkennt ihr ja schnell!
Ein netter Abschluß für das Gedicht. Es werden Tier noch einmal ein paar liebesnwerte, süße Merkmale zugeordnet
und das Tier letztendlich genannt.
Stil:
Über das ganze Gedicht verwendest du Paarreim. Bis auf zwei Ausnahmen ist es sauber gereimt.
Die unsauberen Reime sind: Gemüt - getrübt sowie verraten - warten (Gefährten - Gärten ist grenzwertig)
Interessant ist, dass du Strophen mit 2 Zeilen verwendest und dann ziemlich am Ende eine Strophe mit 4 Zeilen einbaust.
Dieser Wechsel ist aber keineswegs unpassend, weil du zu diesem Zeitpunkt direkt den Leser ansprichst. Man kann allerdings danach hinterfragen, warum die folgenden zwei Zeilen für sich alleine stehen, da sie sich ebenfalls dem Leser zuwenden. Vielleicht sollte man die letzten beiden Strophen ebenfalls zusammenfassen.
Gesamteindruck:
Insgesamt finde ich das Gedicht gut. Es ist nicht überragend, weil ich schon viel schönere, ungereimte Gedichte von dir gelesen habe. Ich denke, dass da auch deine Stärke in der Lyrik liegt. Ich war ehrlich gesagt sogar ziemlich überrascht gewesen, ein gereimtes Gedicht von dir zu lesen, aber das hatte sicherlich mit der Themenvorgabe zu tun.
Nichtsdestotrotz ist das Gedicht gerade für kleine Kinder sehr empfehlenswert.
Die Sprache ist einfach und sehr bildhaft. Das Tier kommt sehr süß und sympathisch herüber. Man muss es einfach lieb haben. Durch die Einfachheit der Sprache ist man als Leser schnell im Geschehen und keineswegs überfordert (was besonders bei kleinen Kindern wichtig ist). Von der Erzählweise her, ist es auch gut zum Vorlesen geeignet.
Schade finde ich, wie bereits erwähnt, dass es zu schnell offensichtlich wird, um was für ein Tier es sich handelt. Es nimmt dem Gedicht die Spannung und Würze. Daher gibt es auch nur ein "gut" aber kein "sehr gut" von mir.
Liebe Grüße
Marcus