Informationen
Klappenbroschur | 192 Seiten
Erschienen am 8. Juni 2012
im carl's books Verlag
ISBN:978-3-570-58508-5
Preis: 12,99 €
Inhalt
Meinung
Es war einmal ein Roman, der mit viel Verrücktheit und Skurrilität mein Leserherz verzaubern konnte. Es war einmal eine Hautfigur, die mich mit ihrer Ehrlichkeit berühren konnte. Und es war einmal ein Märchen, das ganz ohne „Es war einmal“s auskommt, weil es schon mit so vielen anderen Besonderheiten zu überzeugen weiß.„Die Mechanik des Herzens“ ist ein sehr dünnes Büchlein. Trotz der wenigen Seitenzahlen lässt sich der Autor jedoch Zeit, den Leser ganz in Ruhe in die Geschichte einzuführen. Aus Jacks Perspektive liest man über die Nacht seiner Geburt, und die Ereignisse die daraufhin den Fortgang seines Lebens beeinflussen. Es mag sich komisch anhören, dass man aus der Perspektive der Hauptfigur deren Geburt miterlebt – ist es aber nicht. Schließlich wirkt „Die Mechanik des Herzens“ mit seinem poetischen Schreibstil und der kurzen Charakterisierung der Figuren wie ein Märchen, wo so etwas schon mal vorkommen kann.
Allerdings ist es auch ein ziemlich skurriles Märchen. Schließlich ist es das Uhrwerk einer Kuckucksuhr, welches Jacks Herz weiterschlagen lässt. Das zwischenzeitliche Rufen ebendieses Vogels und das ständige Ticken sind Nebenwirkungen des ungewöhnlichen Herzschrittmachers. Die Hebamme, Ärztin und auch manchmal als Hexe verschrieenen Madeleine, die Jack bei sich aufnimmt, weiß ihren Patienten mit vielen Gerätschaften zu helfen und bei Jack ist es eben eine Uhr.
So zieht man als Leser in dieses kuriose und doch gemütliche Häuschen auf einem Berg in der Nähe von Edinburgh und fühlt sich dort schon bald zu Hause. Gemeinsam mit Jack erlebt man die Einsamkeit seiner Kindheit, die Debatten um den ersten Ausflug in die Stadt und schließlich seinen so lang ersehnten, ersten Schultag – und natürlich auch der eine Augenblick, der sein Herz zum Höherschlagen bringt: Die Begegnung mit Miss Acacia.
Die Ereignisse werden ab dort recht schnell abgehandelt, doch ich hatte nie das Gefühl, der Autor würde etwas besonders überstürzen. Die Handlung wird von Jacks Gedanken hin und wieder unterbrochen, sodass sie nicht zu rasant oder gehetzt wirkt. Für die Charakterisierung lässt sich Mathias Malzieu auch nicht besonders viel Zeit, doch durch ihre Taten bekommt man ein recht detailliertes Bild von ihnen. Zudem sind die Figuren allesamt auf ihre Art und Weise etwas ganz besonderes – neben der herzensguten Madeleine und dem sturen Jack tritt ein ganzes Ensemble von Figuren auf, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Von der blinden Flamencosängerin bis zum richtig fiesen Typen ist alles mit dabei. Sogar Jack the Ripper und der Filmemacher Georges Méliès haben in diesem dünnen Büchlein eindrucksvolle Auftritte.
Die Skurrilität der Figuren und einiger Handlungselemente wird durch den poetischen Stil unterstrichen. Viele ungewöhnliche aber sehr passende Metaphern verwendet der Autor und lässt so eindrucksvolle Gedankenbilder entstehen. Vor allem die Erzählweise verleiht dem Roman einen ganz besonderen modernen Märchencharakter. „Die Mechanik des Herzens“ wirkt wie eine schriftliche Adaption eines Tim Burton Films – allerdings eines Films, den man so noch nie gesehen hat. Die Geschichte ist liebenswürdig mit all ihren bunten Figuren und Handlungsorten und wird aufgewertet durch Gedankenanstöße, die der Autor bietet.
Leider jedoch ist dieses seltsame Märchen nicht perfekt. Denn so gut der Stil auch sein mag, über Worte wie „cool“, „sexy“, „slapstickhaft“ und „surfen“ bin ich dann zwischen den bildhaften Beschreibungen doch gestolpert. Vor allem die ersten beiden wollten in ihrer Umgangssprache nicht zur restlichen Erzählweise des Buchs passen. Zumal sich das Ganze Ende des 19. Jahrhunderts abspielt und diese Worte dadurch noch unpassender wirken. Ich weiß nicht, ob hier der Lektor oder Übersetzer geschlafen hat oder ob solche Worte beabsichtigt waren, um die Geschichte aufzulockern – feststeht, dass sie für mich völlig fehl am Platz waren.
Fazit
„Die Mechanik des Herzens“ ist ein Märchen, wie man es noch nicht gelesen hat. Gleichermaßen ist es aber auch eine Liebesgeschichte und ein Coming-of-Age, das mit seiner vielseitigen Besetzung und dem weitestgehend wunderschönen Schreibstil punkten kann.Für Fans von verqueren Geschichten ist „Die Mechanik des Herzens“ ein Muss. Aber auch für jeden, der kleine, aber feine Geschichten zu schätzen weiß, wird dieser quietschbunte Märchencocktail eine wahre Geschmacksexplosion bieten.
von 5 Sternen