Daten zum Buch:
- der erste Band einer geplanten Trilogie
- Verlag: Oetinger
- Seitenzahl: 379
- Preis: 17,95 Euro
Inhaltsangabe:
Jack ist Nikkis große Liebe. Eine Liebe, die sie durch die Finsternis der Unterwelt getragen hat. Endlich, nach hundert Jahren der Sehnsucht, kehrt Nikki zurück. Doch ihr bleibt nur ein halbes Jahr. Ihre Freunde und ihr Vater glauben, dass sie einfach abgehauen war, doch in Wirklichkeit hat der Rockmusiker Cole sie mit in die Unterwelt genommen. Cole ist ein Unsterblicher, der sich von den Gefühlen der Menschen ernährt. Nur Nikkis Liebe zu Jack hat sie davor bewahrt zu sterben und ihr ermöglicht, auf die Erde zurückzukehren. Cole, mit dem sie ein seltsam enges Band verbindet, bedrängt sie, mit ihm gemeinsam in der Unterwelt zu herrschen. Doch Jack, der Nikki niemals wieder verlieren möchte, riskiert alles für sie.
Meine Meinung:
Normalerweise bin ich mir nach dem Beenden eines Romans relativ schnell sicher, mit vielen Sternen ich ihn bewerten möchte. Bei "Ewiglich die Sehnsucht" war das jedoch nicht der Fall. Also was ist an diesem Buch so anders?
Zunächst einmal: Ich finde den Titel wunderschön, denn er klingt äußerst poetisch und verspricht eine Geschichte voller Gefühl und einem Hauch Melancholie. Da ich derartige Erzählungen liebe, wurde meine Neugier schnell geweckt. Passend dazu zeigt sich das Cover, das ich als melancholisch und geheimnisvoll empfunden habe. Als Bonus kam dann noch eine kleine und schöne Überraschung hinzu, die mir aus dem aufgeschlagenen Buch irgendwann entgegenkam. Ein ganz großes Lob an die Verantwortlichen!
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Das erste Drittel über konnte mich Brodi Ashtons Debüt schlichtweg begeistern. Die Autorin beginnt ihren Roman mit einem kurzen inneren Monolog Nikkis, indem diese auf die klassischen Vorstellungen von Himmel und Hölle eingeht und dann das Ewigseits und die Ewiglichen ins Spiel bringt. Die Art, wie Nikki über beides spricht, verspricht ein großes Geheimnis, auch eine Portion Dramatik. Ich wollte als Leser unbedingt wissen, was es mit diesem mystischen Ort auf sich hat, welche Erfahrungen Nikki dort gemacht hat – die Spannung war geweckt!Es folgte ein längerer Prolog, der damit beginnt, dass die sogenannte Nährung endet. Nikki befindet sich im Zustand des Erwachens, sie ist verwirrt und verletzlich. Das hat die Autorin mit ihren Beschreibungen sehr gut herausgearbeitet, so gut sogar, dass es mir vorkam, als befände ich mit Nikki und Cole in der Höhle. Die Atmosphäre in diesem Textabschnitt ist geprägt von großer Sehnsucht und Melancholie.
Diesem sehr intensiven und eindrucksvollen Stil bleiben auch die ersten Kapitel treu, in denen die Ich-Erzählerin Nikki von ihren Erlebnissen nach der Rückkehr in die Oberwelt berichtet. Es ist für sie nach ihrer Rückkehr nicht nur eine große Anstrengung, sich an Personen und Begebenheiten zu erinnern, sondern auch ihr Körper ist so geschwächt, dass einfache Tätigkeiten zur Hürde werden. Dazu kommen eine Art innere Leere und die Schwierigkeiten, mit anderen zu kommunizieren. Zudem lebt Nikki in dem Bewusstsein, nur ein halbes Jahr Zeit zu haben, bis sie in die Unterwelt geholt wird. Sie will diesen Zeitraum unbedingt nutzen, um sich von ihrer Familie, ihrer besten Freundin Jules und ihrem Ex-Freund, Jack, zu verabschieden. Dafür ist sie auch bereit, ihre kostbare Zeit mit Alltäglichem wie dem Schulbesuch oder so Absurden wie den regelmäßigen Drogentests, zu denen ihr misstrauischer Vater sie verdonnert hat, zu verbringen. Besonders liegt ihr bei diesem Vorhaben jedoch Jack am Herzen, den sie in den hundert Jahren als einzigen nicht vergessen hat.
Diese schwierige und verzweifelte Situation wird mit so viel Eindringlichkeit dargestellt, dass ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen mochte. Nikkis Lage ließ mich immer wieder an einen schwerkranken Menschen denken, der weiß, dass er nur noch wenig Lebenszeit vor sich hat und im Angesicht dieses Wissen viele verschiedene Emotionen durchläuft und darum kämpft, seine Pläne noch zu verwirklichen. Mit der Einfühlsamkeit und Ernsthaftigkeit, mit der hier geschrieben wurde, unterscheidet sich „Ewiglich die Sehnsucht“ für mich von anderen, zur Zeit beliebten Fantasy-Jugendromanen.
Die Erzählung über Nikkis Rückkehr in die Oberwelt wird immer wieder von Kapiteln unterbrochen, die in der Vergangenheit spielen. Dieser Wechsel hat mir an sich sehr gefallen. Ich war jedoch etwas enttäuscht darüber, dass diese Rückblicke es nicht ermöglichen, Nikkis Familie besser kennenzulernen.
Auf die Liebesbeziehung zwischen Jack und Nikki hätte in den Rückblicken noch etwas intensiver eingegangen werden können. Die beiden bringen im Laufe der Geschichte einige Opfer für den jeweils anderen, laut Buch begründet durch ihre Liebe für einander. Doch wieso sie einander so lieben, dass sie dazu bereit sind, hätte noch besser gezeigt werden können.
Mein Hauptkritikpunkt lieht jedoch im mittleren Teil des Romans. Hier gab es leider zwei, drei Ungereimtheiten, die mich ziemlich gestört haben (z.B., dass Nikki ewig braucht um zu begreifen, was es mit einer gewissen Person auf sich hat). Ebenso fehlte es mir in diesem Teil an stärkeren Gefühlen Nikkis gegenüber ihrem Vater, ihrem Bruder und Jules.
Im letzten Drittel kommt es dann zu einem Handlungsmoment, den ich sehr schwer nachvollziehbar fand.
Das eigentlich Ende war dagegen dann wieder große Klasse. Hier schreibt Brodi Ashton wieder auf die gleiche Weise, die mich am Anfang so begeistert hat: melancholisch, gefühlvoll, glaubwürdig und einfach packend und berührend.
Was die Charaktere angeht, hat Cole mich am meisten überzeugt als ein in sich stimmiger Charakter, der wenig Stereotypes an sich hat und sich nicht in das klassische Gut/-Böseraster einordnen lässt.
Jack war umgangsprachlich gesagt ein netter Kerl – er ist humorvoll, weiß, was er will, etwas romantisch, immer für Nikki da, hat auch kleinere Schwächen … Trotzdem fehlt mir bei ihm ein wenig das Eigenständige, das ihn aus der Masse der männlichen Hauptpersonen im Young Adult-Bereich herausstechen lässt.
Nikki ist für mich am schwersten einzuschätzen, was vielleicht daran liegt, dass man sie den Großteil der Erzählung über in einer sehr verzweifelten Lage erlebt. Die „frühere“ Nikki scheint eher ruhig, etwas schüchtern und lebensfroh gewesen zu sein, die „aktuelle" Nikki ist dagegen deutlich gezeichnet von allem, was sie in der Zwischenzeit erlebt hat. Sie ist reservierter, pessimistischer - und am Ende kämpferischer. Ich hoffe, dass Nikki in den folgenden Bänden noch mehr an Persönlichkeit gewinnt, um sie zu einer Heldin wie Katniss oder Hermine zu machen, die für die Leser durch eine ganz eigene Art unverwechselbar ist.
Der Schreibstil liest sich angenehm. Er ist nicht kompliziert, aber auch nicht zu einfach. An manchen Stellen finden sich schöne, leicht poetische Formulierungen.
Emotionen werden von der Autorin immer wieder beeindruckend intensiv geschildert, während es bei Beschreibungen der Umwelt etwas an Details fehlt (Farben, Formen …).
Fazit:
Es fällt mir wirklich schwer, dieses Buch zu bewerten. Viele Aspekte haben mich einfach nur begeistert (die wundervoll beschriebene Stimmung zu Beginn und am Schluss, der Plot an sich, das Ende...). Andere Punkte konnten da leider nicht mithalten (fehlende Details, Charaktere, die noch eigenständiger hätten sein können ...).
Die Kritikpunkte sollen jedoch nicht den Eindruck erwecken, "Ewiglich die Sehnsucht" sei ein schlechter oder mittelmäßiger YA-Roman. Für mich ist es ein ganz besonderes Debüt, dem es aber noch etwas an Feinschliff fehlt, um es perfekt zu nennen.
Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung und gebe und einen halben Stern.