Verlag: Heyne
Seitenzahl: 560
Preis: 17,99 Euro
Inhalt:
Es waren einmal zwei Schwestern, die lauschten allabendlich den Worten ihres Vaters: »Mädchen, weicht vom Wege nicht!« Doch die Jahre vergingen, die eine Schwester starb und die andere vergaß Rotkäppchen. Bis sich das Märchen an einem stürmischen Herbsttag mit aller Macht bei der siebzehnjährigen Vesper Gold zurückmeldet.
Plötzlich geschehen seltsame Dinge in Hamburg: Ein Wolf streift durch die Stadt, Kinder fallen in einen rätselhaften Tiefschlaf. Und Vesper allein hält den Schlüssel zu einem düsteren Geheimnis in Händen, das bis zu den Brüdern Grimm zurückreicht.
(Quelle: Amazon)
Meine Meinung:
Als Kind habe ich Märchen geliebt. Inzwischen lese ich sehr gerne Romane, in denen Märchen Thema sind und auf verschiedene (z.B. düstere, humorvolle) Weise umgesetzt werden.
Da "Reckless" von Cornelia Funke und "Grimm" beide solche Romane sind und ungefähr zur gleichen Zeit erschienen, habe ich mich gefragt, welches der beiden Bücher ich (zuerst) lesen soll und mich dann aufgrund der grundwegs positiven Meinungen bei Amazon und der spannend klingenden Inhaltsangabe für "Grimm" entschieden.
Was soll ich sagen: "Grimm" hat mich begeistert wie schon seit längerem kein Buch mehr und zählt jetzt definitiv zu meinen Lieblingsbücher :)
Als Grund hierfür ist zum einen der Schreibstil zu nennen.
Man findet im ganzen Buch wundervolle lyrisch anmutende Sätze, richtige kleine Kunstwerke, die ich am liebsten wegen ihrer Schönheit auf der Stelle auswendig gelernt hätte. Davon abgesehen finden sich immer wieder auch sehr knappe, einfach strukturierte Sätze. Manche Leser scheint diese Mischung zu stören, ich fand sie aber sehr gelungen und auf ihre Weise Vespers Leben und Persönlichkeit entsprechend.
Ein weiterer Grund sind die Charaktere und ihre Darstellung.
Die Hauptperson, Vesper, ist keine "Null-Acht-Fünfzehn"-Heldin, wie sie mir öfters in Fantasy-Jugendbücher in letzter Zeit begegnet ist, sondern wird vom Autor so gut beschrieben, dass sie während des Lesens fast wie eine reale Person erscheint. Vesper hat bzw. ist einfach eine richtige Persönlichkeit, die sich im Laufe der Handlung stark weiterentwickelt, Fehler macht und Stärken hat. Ein wenig hat sie mich vom Typ her an Rosa Alcantara aus der "Arkadien"-Reihe von Kai Meyer erinnert - keine typische Heldin, sondern in gewisser Weise der genaue Gegentyp.
Auch die anderen Charaktere fand ich gut ausgearbeitet und individuell, wenn auch vor allem auf Leander und einige andere Personen meiner Meinung nach noch stärker hätte eingegangen werden sollen. Aus diesem Grund hätte das Buch für mich ruhig einige Seiten mehr haben können.
Sehr gut gefallen hat mir auch die Atmosphäre.
"Grimm" ist definitiv kein heiterer, einfacher Roman, sondern eher düster, nicht nur, was die Umsetzung der Märchenmotive angeht. Vergangenes wie z.B. erlittene seelische Verletzungen, die Frage nach Recht und Unrecht und viele andere Themen, die zum Nachdenken bringen, spielen eine wichtige Rolle.
Es geht öfters melancholisch zu, was oft durch die Erwähnung von zur Situation passenden Songtiteln und Texten unterstrichen wird. Es finden sich aber auch Textstellen, die einen zum Lachen bringen, Spannung, viele Rätsel und etwas Liebe.
Vom Inhalt und dem Verlauf der Handlung her hat "Grimm" mich ebenfalls überzeugen können.
Ich hätte am Anfang des Buchs niemals erahnt, welche Wendung die Geschichte am Ende nehmen wird und bin im Lauf der Handlung oft überrascht worden.
Was die Märchen angeht, gibt es Stellen, die sehr düster sind bzw. die nicht zu dem "heile Welt"-Schema passen, das wir aus vielen Marchen der Gebrüder Grimm kennen. So sind die Wölfe, die in der Inhaltsangabe erwähnt werden, in ihrem Vorgehen durchaus grausam und auch andere Märchenfiguren zeigen sich nicht von ihrer positiven Seite.
Etwas schade fand ich die Umsetzung des Endes.
Nachdem der Leser auf den ersten Seiten hauptsächlich damit beschäftigt war, mit Vesper über die seltsamen Geschehnisse in Hamburg zu rätseln, überschlagen sich gegen Ende die Ereignisse und kamen meiner Meinung nach teilweise etwas zu plötzlich. Hier hätte ich mir eine genauere Ausarbeitung gewünscht.
Für mich bleibt "Grimm" dennoch ein wunderbares Buch, das von mir bedenkenlos volle Punktzahl erhält und das ich bestimmt noch einige Male lesen werde!
Vom Ende her gäbe es theoretisch noch Raum für eine Fortsetzung, wobei ich nicht sicher bin, ob ich mich über eine solche freuen würde - "Grimm" kann auch prima als abgeschlossener Roman für sich alleine stehen.
Zuletzt von Salissa am Sa 22 Dez 2012, 01:19 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet