Vampirromane Blut geleckt
Die Mode der Vampirromane ist ohne doppelten Boden
Als kürzlich Schriftsteller und Kritiker im Hamburger Literaturhaus über Literatur und ihre Bedingungen diskutierten, brachte eine Teilnehmerin eine produktive Unterscheidung ins Spiel: zwischen literarischen Moden und literarischen Trends. Moden sind flüchtig, Trends literaturgeschichtlich gewichtiger. Der gegenwärtig beliebte Familienroman beispielsweise ist keine Mode, es gab ihn schon im 19. Jahrhundert, es wird ihn immer geben. Der erste literarische Trend kam mit dem Epos auf die Welt, mit Homers Odyssee. Seitdem reisen Romanhelden umher und suchen nach ihrer Identität.
Tradition reicht allerdings nicht, um aus einer Mode einen Trend zu machen. Nehmen wir das Genre des Vampirromans. Es geht auf das Jahr 1897, auf Bram Stokers vielfältig adaptierten Roman Dracula zurück. Ob es uns passt oder nicht: Der triviale Vampirroman dominiert den derzeitigen Buchmarkt wie nichts anderes. Der ganze Vampirkult hat sich seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu einem regelrechten Unterhaltungsimperium entwickelt. Stephenie Meyer ist nur ein Zweig davon. Im Internet gibt es spezielle Foren für den »Vampirroman abseits des Mainstreams«. Dabei handelt es sich offenbar um Romane, die auf einbettende Handlung, auf die notorischen Highschool-Episoden verzichten und dafür den Horror maximieren. Weiterhin gibt es eine nicht unlustige Reihe von Vampirpersiflagen der Weltliteratur wie Stolz, Vorurteil und Zombies, frei nach Jane Austen. Vampirversionen der Anna Karenina und der Buddenbrooks stehen noch aus, können aber noch kommen.
Aber warum? Was bedeutet der irrwitzige Erfolg von Vampirgeschichten? Drückt sich in ihnen Sehnsucht nach Mystik und Gegenaufklärung aus? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Vampirismus und Gegenwartsbewusstsein? Ist Vampirismus womöglich eine Metapher des Raubtierkapitalismus? Soll man sich darüber überhaupt Gedanken machen? Sind Literaturmoden kulturgeschichtlich interessant? Nein, sind sie nicht. Sie spekulieren natürlich mit ideeller Bedeutung, mit Zeitgeistbezug et cetera. Aber worüber sie Auskunft geben, ist nichts, wirklich nichts anderes als der Marktmechanismus der Selbstvermehrung eines Erfolgsprodukts. Die Vampirmode funktioniert wie die Waschmittel- und die Kaffeeindustrie. Das Angebot schafft die Nachfrage. So einfach ist das.
Ein Beispiel: Die Serie Tagebuch eines Vampirs von Lisa J. Smith. Dies ist eine amerikanische Autorin, die in Kalifornien lebt, mit einem Hund und einer Katze. Wenn sie nicht gerade den Hund ausführt, schreibt Lisa J. Smith an ihrer Vampirserie, und zwar in gigantischen Mengen. Es geht um die Highschool-Schülerin Elena, die sich in Stefan verliebt und langsam darauf kommt, dass es sich bei Stefan um einen jahrhundertealten Vampir handelt. Die Serie wurde verfilmt, läuft seit September 2009 im US-Fernsehen und kam im Januar 2010 ins deutsche Fernsehen. Und jetzt rücken die Vampire Diaries halt mit voller Wucht auf den deutschen Buchmarkt nach, Band um Band. Man kann fünf Bände zum Spezialpreis auf einen Schlag erwerben. Mehr gibt es zu so einer Mode nicht zu sagen. Allenfalls, dass die erzählerische Kernidee, das Blutaussaugen, das Marktprinzip veranschaulicht.
Quelle:ZeitOnline.de