Dave Pelzer
Sie nannten mich "es"
- Der Mut eines Kindes, zu überleben -
Deutsche Erstausgabe: Mai 2000
Wilhelm Goldmann Verlag, München
Originalausgabe: 1995
ISBN 3-442-15055-8
145 Seiten
Inhalt und Meinung
"An den Wochenenden gab mir Mutter überhaupt nichts zu essen, um mich für die Diebstähle zu bestrafen. Am Sonntagabend lief mir das Wasser im Mund zusammen, wenn ich mir neue, narrensichere Methoden dafür ausdachte, wie ich stehlen konnte, ohne dabei erwischt zu werden. Einer meiner Pläne bestand darin, in anderen Klassen zu stehlen, wo man mich nicht so gut kannte. Am Montagmorgen sauste ich dann zu einem anderen Klassenzimmer, um die Lunchboxen zu durchforsten. Ich kam für kurze Zeit damit durch, aber der Direktor brauchte nicht lange, um die Diebstähle zu mir zurückzuverfolgen.
Zu Hause ging die doppelte Bestrafung mit Essensentzug und brutalen Schlägen weiter. Mittlerweile gehörte ich, was das alltägliche Leben anbelangte, nicht mehr zur Familie. Ich existierte, aber ich wurde wenig oder gar nicht wahrgenommen. Mutter hatte aufgehört, meinen Namen zu verwenden. Für sie war ich nur noch 'der Junge'. Ich durfte nicht mit der Familie zusammen essen, nicht mit meinen Brüdern spielen, und nicht fernsehen. Ich hatte Hausarrest. Ich durfte niemanden ansehen und mit niemandem sprechen. Wenn ich aus der Schule nach Hause kam, erledigte ich sofort die verschiedenen Arbeiten im Haushalt, die Mutter mir auftrug. Sobald ich damit fertig war, ging ich direkt in die Garage, wo ich an der Wand stand, bis Mutter mir nach dem Abendessen befahl, den Tisch abzuräumen und den Abwasch zu machen. Sie machte ganz deutlich, dass es ernste Folgen haben würde, wenn sie mich sitzend oder liegend in der Garage erwischte.
Ich war Mutters Sklave geworden."
Ich habe dieses Buch an einem Tag innerhalb weniger Stunden verschlungen. Einfach weil ich wissen musste, was weiter passierte. Es hat mich vom ersten Augenblick an gefesselt.
Dave Pelzer erzählt hier seine eigene Kindesgeschichte. Im zarten Alter von 5 oder 6 Jahren (genau geht er da nicht darauf ein) verändert sich seine sonst so fürsorgliche Mutter auf grauenhafte Weise. Sie beginnt zu trinken und wird aggressiv und gewalttätig. Von seinem Vater, den er als so stark empfindet, kann Dave - zu seinem Entsetzen - keine Hilfe erwarten. Er ist seiner Frau fügsam.
Das ständige Hungern ist da nur ein Fakt, der Daves Kindheit grausam zerstört. Hinzu kommen Arbeiten im Haus, die er auch erledigen muss, wenn er sich vor Hunger kaum auf den Beinen halten kann. Er wird gezwungen, Seifenlauge und Spülmittel zu trinken, wird von seiner Mutter brutalst geschlagen, erleidet Verbrennungen, Demütigung und Nächte in Kälte und Einsamkeit - und ständig nagende Schmerzen vor Hunger und von den Schlägen und Misshandlungen.
Daves Geschichte ist so offen und ehrlich erzählt, dass man von den Grausamkeiten nicht verschont bleibt. Das Buch hat mich tief berührt und bringt zum Nachdenken. Fast 10 Jahre musste er dies alles ertragen, bis seine Lehrer endlich die Inititative ergriffen und ihn mit 13 Jahren aus dem Höllenloch, das sein Zuhause ist, befreien ...
Ein Buch, das wirklich nichts für schwache Nerven ist. Es hinterlässt nicht nur einen bitteren Nachgeschmack, sondern auch tiefstes Mitgefühl und Hass.
Bis 1972 war der Fall von Dave Pelzer der drittschwerste Fall von Kindesmisshandlung im Staat Kalifornien.