-Kaja 2#- Der Duft des frühen Morgens begleitete uns und brachte die unangenehme Kälte des Winters mit sich. Ich fröstelt und musste mir über die Arme reiben, als ein kalter Windstoß aufkam. Feiner Pulverschnee wurde dabei von den Dächern geweht und wirkte so, wie ein kurzer Schneefall. Durch den Anblick, der im Sonnenlicht funkelnden Eiskristalle, bemerkte ich nicht, wie Aran sich hinter mich stellte, von hinten umarmte und sagte: »Ach, jetzt mach doch nicht so ein Gesicht.« Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich unter der Umarmung merklich zusammenzuckte. »Aran, bist du wahnsinnig? Du kannst mich doch nicht so erschrecken...« Ich legte eine Hand zur Beruhigung an meinen Brustkorb. Ich konnte spüren, wie mein Herz panisch gegen die Rippen schlug. »Doch, ich kann. Wir haben uns soviel Mühe gegeben, dich zu überraschen und dir einen schönen Tag zu schenken, da kannst du ruhig ein wenig dankbarer sein, finde ich«, beschwerte sich Aran schmollend bei mir. Ich sah ihm in die Augen. Scheinbar meinte er es wirklich ernst. Ich dachte über seine Worte nach. Sie weckten die Schuldgefühle in mir. Dass ich meine schlechte Laune an diesem Tag und direkt an ihm ausließ, der den ganzen Weg nur für mich gemacht hatte, war nicht besonders fair von mir, wie ich feststellte. Aran hatte Recht. Ich musste mich jetzt wirklich zusammenreißen. Sonst war ich doch auch nicht so. Ich seufzte schwer und befreite mich als erstes aus seiner Umklammerung, bevor ich mich dann etwas neugieriger umsah. Tatsächlich musste heute ein besonderer Tag sein, denn die Menschen drängten eilig auf die Straßen. Einige waren in Hektik verfallen, als hätten sie dringende Besorgungen zu erledigen. Rufe wehten über unsere Köpfe hinweg, während wir an einigen Straßenecken Kinder spielen sehen konnten, die sich lachend mit Schneebällen bewarfen. Andere kleinere Gruppen befleißigten sich Schneegebilde zu bauen. So sahen wir Schneemänner in unterschiedlichen Wachstumsstadien. Doch ich glaube, etwas, was mir noch lange in Erinnerung bleiben würde, waren die zwei jungen Männer, etwa in Arans Alter, die eine leichtbekleidete Schneefrau gebaut hatten. So ganz fertig waren sie noch nicht. Sie strichen immer noch Schnee glatt, bröselten hier und da etwas ab. nur Ein kurzes Schmunzeln überfiel mich, als ich darüber nachdachte, den Beiden zuzurufen, sie sollten der Armen etwas zum Anziehen geben, weil sie sicherlich auch fror. Ich verwarf den Gedanken allerdings wieder, denn ich würde mich für die Aussage vermutlich nur schämen. »Hast du das gesehen?«, lachte mein Bruder auf und deutete mit dem Zeigefinger auf die Schneefrau und zwinkerte. Ich nickte kurz und sagte dann mit einem flackernden Lächeln: »Ein wenig mehr Bekleidung, würde ihr sicher nicht schaden.« Aran machte eine Handbewegung, um mir zu zeigen, dass ich kurz stehen bleiben sollte. Verwundert sah ich ihn an, als er zu den beiden Männern hinüber lief und seinen Schal abnahm. Er deutete auf mich, woraufhin ich ein wenig verlegen in mich zusammensank und mein Gesicht in meiner dicken Jacke vergrub. Ich senkte den Blick und die beiden Fremden wickelten den Schal, um den Hals der eisigen Schneefrau und hielten mir einen gereckten Daumen entgegen. Ich musste allerdings trotz meiner vor Scham brennenden Wangen anfangen zu lachen. So hatte ich das eigentlich nicht gemeint. Der Schal lag wie üblich um den Hals geschlungen und der ganze geformte Oberkörper präsentierte noch immer das gut gemeinte Dekolleté. Aran grinste: »Komm sag schon, ich bin ein Held.« »Ohja, ein ganz großer«, erwiderte ich ironisch. Er nahm es jedoch mit Humor und zwinkerte mir amüsiert zu. Manchmal war er nicht der große Bruder, sondern ein hitzköpfiges Kleinkind, das einen zum Lachen brachte. So wie jetzt auch. Aber gerade das war es, was ich an ihm so sehr mochte. Außerdem war Aran immer da, wenn ich ihn brauchte. Meinen Bruder hätte ich gegen nichts auf der Welt eingetauscht. Die Raben, die mich auf Schritt und Tritt verfolgten, ließen sich auf einem der alten Brunnen nieder, den ich noch von meinem letzten Besuch kannte. Dieses Mal lag er jedoch still, weil der Winter sonst die Mechanik zerstören würde. Die weiße Schneedecke hatte dafür gesorgt, dass er aussah, als würde er schlafen. Obwohl ein Brunnen natürlich nicht schlafen konnte, berichtigte ich mich in Gedanken. Überraschend griff Aran nun nach meiner Hand und zog mich mit sich. Den ersten Schritt hätte ich beinahe nicht unbeschadet überstanden, aber das änderte sich, als ich mich nach ein paar weiteren auf sein Tempo einstellten konnte. Ich seufzte erleichtert auf. »Oh, Aran, mach doch nicht so schnell«, sagte ich mit einem tiefen Stirnrunzeln, als er sogar noch an Geschwindigkeit zulegte. Ich fragte mich einen Moment lang, warum er es jetzt auf einmal so eilig hatte? Doch meine Hoffnung, dass er Erbarmen mit mir zeigen würde, blieb unerfüllt. Wir huschten eilig an den Häusern vorbei, die in die gleiche Masse getaucht worden war, wie alles hier. Eiszapfen rundeten das winterliche Bild an vielen Stellen ab. Mit dieser Eile in den Schritten dauerte es nicht mehr so lange, bis wir das Rufen von Marktschreiern hören konnten. Sie boten stürmisch und frohlockend ihre Waren in der Kälte feil. Noch einmal wunderte ich mich darüber, dass die Stadt so anders wirkte. Nicht so... wie man sich eine ernste Stadt vorstellen würde. Besonders wollte das nicht zu dem Wächter passen, der uns nur misstrauisch in die Stadt gelassen hatte. »Du, Aran, das sieht fast aus, als wäre heute ein Feiertag«, bemerkte ich daher, als wir endlich wieder stehen blieben. Dann drehte sich Aran mit ausgebreiteten Armen zu mir um und als er sich einmal um seine eigene Achse drehte und dann in einer überschwänglichen Verbeugung endete, musste ich doch anfangen zu lachen. Er konnte so herrlich verrückt sein. »Alles Gute, nachträglich zum Geburtstag. Willkommen zum Stadtfest – heute erwartet Sie ein Tag voller Überraschungen, Spaß und Spannungen. Du hast heute die Pflicht dich zu amüsieren, Schwesterherz«, rief er dann. Völlig überrumpelt, rutschte mir ein »Stadtfest?« heraus. Er nickte lächelnd und stürmte dann eilig auf mich zu. Theatralisch hob Aran seine Hand, zeichnete damit einen unsichtbaren Regenbogen in die Luft und erklärte mir: »Du musst dir alles ganz genau ansehen und deine schlechte Laune vergessen und diesen Tag genießen. Immerhin habe ich mich aufgeopfert mit dir das Stadtfest zu besichtigen, damit du nicht der Willkür von Mutter und Vater ausgesetzt bist. Sicher wird es erst später richtig losgehen, weil wir doch recht früh hier sind, aber so können wir die Stadt erst noch ein wenig so erkunden, ohne dass zu viele Menschen auf den Straßen herum stromern. Komm, wir schlendern ein wenig über den Marktplatz und schauen mal, was die Schreihälse tatsächlich anzubieten haben. Bereit für ein kleines Abenteuer?« Ein warmes Lächeln schob sich nun auf meine Züge. Es fühlte sich gut an. Wenn Aran so viel Freude daran hatte, dann wollte ich sicherlich nicht diejenige sein, die ihm diese verdarb. Tatsächlich musste ich anfangen zu lachen, als mir etwas einfiel. Ich konnte es nicht zurückhalten und sprach den Gedanken, der in meinem Kopf schwirrte, aus: »Sag mal, hast du wirklich mich damit beschenkt oder nicht doch eher dich selbst?« Mein amüsiertes Schmunzeln zeigte jedoch an, dass ich nicht böse darüber gewesen wäre, hätte mein Bruder verlegen drein gesehen und ich den Nagel auf den Kopf getroffen. Doch er antwortete glaubwürdig ernst: »Ich habe uns beide damit beschenkt. Immerhin freue ich mich, wenn ich dir etwas Gutes tun kann und dann bin ich zufrieden, wenn du glücklich bist. So einfach ist das. Na komm schon!«, drängte er nun, und zog mich mit einem kurzen Griff Richtung Marktplatz. Immer wieder blieb er stehen, um sich nach mir umzusehen, als ob ich unterwegs verloren gehen könnte. Als erstes standen wir bei einem Obststand, der so viele leckere Früchte zeigte, dass ich am liebsten von allem ein bisschen mitgenommen hätte, doch sie waren einfach zu teuer. Wir mussten ein wenig auf das Geld achten. So schlenderten Aran und ich an Taschenständen, Blumenhändlern und Imbissen vorbei. Begannen uns über die merkwürdigen Waren zu amüsieren, die hier angeboten wurden. Ein Stand war bunter als der andere. Tatsächlich hatte es mir mit jeder weiteren Sekunde mehr Spaß gemacht. Ich war inmitten dieser Winterlandschaft aufgetaut, während das Wasser schweigend vor sich hin gefror. Wir hielten gerade an einem Stand mit Stoffen und ich besah mir ihre Qualität. Mutter hatte darum gebeten, welchen für sie mitzubringen. Daran hatte ich denken müssen, als mir die bunten Farben ins Auge gestochen waren. Aran meinte: „Ich glaube, der Stand ist überzogen teuer.“ Als ich mit meiner Begutachtung fertig war, sah ich den Verkäufer mit einem knappen Lächeln an: „Es tut mir leid, aber ich werde an einem anderen Stand schauen. Dieser Stoff ist eindeutig seinen Preis nicht wert.“ Dann wandte ich mich wieder zum Gehen und konnte ein verärgertes: „Freches Balg“ vernehmen. Allerdings hielt ich Aran zurück und sagte: „Das ist nur der Ärger, weil er mich nicht übers Ohr hauen konnte. Lass ihn. Er wird heute noch genug Meinungsverschiedenheiten auszufechten haben.“ Mein Bruder nickte, aber ich konnte in seinen trotzig schimmernden Augen erkennen, dass ihn das ziemlich unbefriedet hinterließ. Aran war tatsächlich nicht der Typ, der sich alles gefallen ließ und er war der beste Wächter, den eine kleine Schwester sich wünschen konnte. An die Momente, in denen er es übertrieb, wollte ich jetz nicht denken. Wir mogelten uns durch die Menschentraube hindurch, die sich im Laufe der Zeit auf wundersame Weise vermehrt hatten, wie es nur in einer Stadt möglich war. Sie drängten auf den Marktplatz, amüsierten sich, beglückten die Verkäufer mit den Einkäufen und sich selbst mit neuen Errungenschaften. Besonders die kleinsten Besucher des Marktes waren glücklich, wenn sie etwas zu Essen ergattert hatten oder ein neues Spielzeug in der Hand hielten. »Es ist großartig hier«, ließ ich mich vernehmen, als ich einige Augenblicke dem Treiben zugesehen hatte. Ich mochte es die Menschen einfach nur zu beobachten. Das war viel angenehmer, als selbst diesem Trubel beizuwohnen. Aran begann zu strahlen. Vermutlich war er zufrieden, dass er es endlich geschafft hatte, mich gefangen zu nehmen. Ich warf ihm ein Lächeln zu, auch wenn es nicht ganz echt war. Mir hingen immer noch die Schatten von schlecht geschlafenen Nächten in den Knochen. Es war sehr gut denkbar, dass sie für meine gespaltene Laune verantwortlich war. Wir wandelten an den Paaren vorbei, die über diesen Platz liefen. Gerade wollte ich meinem Bruder etwas über einen Schausteller erzählen, der auf hohen Stelzen hier herum lief, als ich bemerkte, dass Aran wie vom Erdboden verschluckt war. Grenzenlose Angst überfiel mich jäh, als die Menge an Menschen mich zu ersticken drohte. Gelächter, Stimmen von allen Seiten, der große Platz, der Riese mit den Holzstelzen schienen mich einzukreisen. Ich fühlte mich mit einem Male eingeengt und unsagbar verletzlich in der Traube aus Unbekannten. Ein einziger Mensch inmitten einer Masse aus Fremden. Ich legte die Arme um meinen Oberkörper, weil mir urplötzlich wieder sehr kalt wurde. Die Raben, die mir und meinem Bruder gefolgt waren, flogen dicht über meinen Kopf hinweg und krächzten so unheimlich, dass es mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ich zuckte darunter zusammen. Ich wusste nicht, wo ich genau hinsehen sollten. Überall nur leere Gesichter, die ich nicht mit Namen benennen konnte. Skeptische, lachende, eigenartige Blick auf mir. Hilfesuchend sah ich mich um. Aran nährte sich dieses Mal wohlweislich nicht von hinten. Vielleicht hätte ich sonst ausgeschlagen. Ich fühlte eine Welle der Erleichterung durch meinen Körper fließen, als ich sein vertrautes Gesicht ausmachen konnte. »Hey, Kaja, sag mal, kannst du versuchen dich irgendwo hinzustellen, wo ich dich wiederfinden kann? Ich muss eben noch ein paar Besorgungen machen. Du weißt ja, Dad brauchte auch noch ein paar Sachen vom Markt« Ich sah ihn leicht verstört an: »Du willst mich hier alleine lassen?« Er lächelte entschuldigend. »Es dauert nicht lange, versprochen. Am Besten gehst du erst einmal zu dem Kinderkarussell, da finde ich dich dann ganz schnell.« Er hatte seinen Finger gehoben und deutete nun in die Richtung, wo blinkende Lämpchen auf sich aufmerksam machten. Das war schon die erste Attraktion des Tages, wie ich feststellte. Mit einem unguten Gefühl sah ich meinen Bruder an. Doch ich gab mich geschlagen. Ich wollte nicht, dass mein Bruder glaubte, ich wäre mit meinen einundzwanzig Jahren noch nicht erwachsen genug, auf mich selbst aufzupassen. Aber große Menschenmengen machten mir Angst, wenn ich alleine war. Ich kratzte allen Mut zusammen, den ich finden konnte. Meine kurzzeitig aufgeblühte Freude verschwand, so schnell, wie sie gekommen war. Ernsthaftigkeit machte sich auf meinen Zügen breit. Ich wollte keine Angriffsfläche für Fremde bieten. Ich schlüpfte zwischen den Wellen aus Menschen hindurch, immer gezielt eine Lücke suchend und zwängte mich an stehen bleibenden Frauen vorbei. Ich konnte kaum in Worte fassen, wie es mich ärgerte, dass die Leute meinten, direkt vor meiner Nase anzuhalten, wo ich mich doch so schon von jeder anwesenden Person bedrängt fühlte. Es wurde immer schwerer einzuatmen, weil die Luft auf eine eigenartige Weise dünner zu werden schien. Mein Herz hämmerte wieder gegen meinen Brustkorb und die weißen Wölkchen von meinem Atem traten immer schneller hervor. Grenzenlose Unruhe erfasste mich von Kopf bis Fuß. Das Lachen, das vorhin so erheiternd wirkte, wirkte nun, als würde jeder von ihnen mich wahrnehmen und dafür auslachen, dass ich mich mit einer versteinerten Miene wappnete. Ich wurde erst etwas ruhiger, als ich das Karussell erreicht hatte. Ich schloss die Augen und versuchte ein wenig Ruhe zu finden. Eine leichte, viel zu fröhliche Musik drang an meine Ohren und einige Kinder winkten ihren Eltern zu, riefen nach ihnen. Meine Augen suchten die Umgebung nach möglichen Gefahrenquellen ab. Tatsächlich verspürte ich eine tobende Wut auf meinen Bruder. Wie konnte er mich nur hier allein lassen? Ich spürte ein Kitzeln in meinen Augen. Das beunruhigte Gefühl von vorhin, verwandelte sich in einen Sturm einer finsteren Vorahnung, die irgendwo ganz tief in meinem Kopf entstand. Gerade wollte ich noch ein wenig näher auf das Karussell mit den Pferden, den Hasen und anderen Tieren zurückweichen, als eine dunkle Hand mein Handgelenk umfasste. Meine Augen weiteten sich vor Schreck und als ein Ruck mich zu der Gestalt umdrehte, wollte ich im ersten Moment schreien, aber die Stimme versagte mir den Dienst. Völlig erstarrt, sah ich in die schwarzen Augen des unheimlichen Mannes. Ein Zittern erfasste meinen Körper. Meine großen Augen fixierten den Mann. Ich wusste am Ende nicht mehr, ob es die Angst war, die verhinderte, dass ich ihn nicht verstand oder ob er einfach eine mir unbekannte Sprache sprach und ich deshalb nicht begriff, was er mir sagte. Ich wusste nur, dass er mit mir reden wollte. Mein Herz, das im ersten Moment wirkte, als wäre es in mir erstarrt, schlug etwas langsamer, als ich begriff, dass er versuchte einfach nur Kontakt mit mir aufzunehmen. Es dauerte Sekunden bis ich es geschafft hatte, ihm zu sagen, dass ich ihn nicht verstand. Mir kam es vor, als würde ich Stunden vor ihm stehen. Vollkommen apathisch vor Angst, fast hypnotisiert von seinem eindringlichen Blick. Als Aran von Weitem rief: »Ich bin wieder da, Schwesterherz. Es tut mir ehrlich leid!«, sah ich mich erleichtert nach ihm um, hatte sogar die Hand zu dem Mann gestreckt, der mich immer noch festhielt. Doch bevor Aran den Fremden sehen konnte, blieb ein Paar mitten auf seinem Weg stehen und küsste sich. Ich hatte Aran flehentlich angesehen, doch als ich meinen Blick auf den großen, dunkelhäutigen Mann richten wollte, war er einfach, wie vom Erdboden verschluckt. Mein Hals wurde trocken. Aran kam auf mich zu und sah meinen suchenden Blick. »Alles in Ordnung, Kaja? Du bist ja kreidebleich...« »Wo ist der Mann, denn jetzt hin … du hast ihn doch gesehen oder?«, fragte ich völlig verwirrt. Ich begann ernsthaft an meinem Verstand zu zweifeln, als Aran verständnislos den Kopf schüttelte und sich dann aber, sicherheitshalber noch einmal umdrehte. »Ich sehe wirklich nichts«, fügte er beruhigend hinzu: »Vielleicht nur ein Schausteller, oder vielleicht hat dich einfach jemand angerempelt.« Ich sah ihn nun verärgert an. Ich holte tief Luft und antwortete dann wütend: »Der Kerl hat mich am Handgelenk angefasst und mich an Ort und Stelle gehalten. Ich bilde mir soetwas doch nicht ein!« »Aber dann wären doch sicher die anderen Leute hier eingeschritten«, sprach Aran nun beschwichtigend auf mich ein. »Hättest du mich nicht einfach hier … «, doch bevor ich dazu kam, mich fertig über sein dummes Verhalten zu äußern, hielt er mir ein kleines schwarzes, biologisch abbaubares Kästchen entgegen. Seine Miene war nicht besonders erfreut, über meinen Ausbruch, der von meinem erlebten Schrecken herrührte und vielleicht auch ein wenig mit Hysterie zu tun gehabt hatte. »Deshalb solltest du hier her gehen. Ich hatte etwas gefunden, was ich dir unbedingt besorgen wollte, als nachträgliches Geburtstagsgeschenk. Ich musste nur mit einem anderen um das Geschenk feilschen, deswegen hat es so lange gedauert und Kaja, du bist mittlerweile wirklich alt genug, um dich zu wehren. Du musst nur etwas mehr aus dir herausgehen. Vorhin auf dem Weg hast du auch so finster drein geschaut, dass du jeden Grabscher in die Flucht geschlagen hättest. Ehrlich … Vergiss den komischen Kauz, wer weiß, was der wollte und getan hat er ja auch nichts. Schau noch mal nach, ob du deinen Geldbeutel hast, vielleicht war er ja ein Dieb.« An die Möglichkeit hatte ich bisher noch gar nicht gedacht. Ich fühlte nach meinem Geldbeutel und fand ihn aber an Ort und Stelle. »Warum hast du denn nicht geschrien, wenn er dir so Angst gemacht hat?«, fragte Aran nun und zog besorgt seine Augenbrauen tief in das Gesicht. »Keine Ahnung, ging einfach nicht«, murmelte ich betroffen und malte mit dem Schuh einige Linien in den Schnee. »Ich lass dich ab jetzt nicht mehr allein, versprochen. Die Besorgungen für Vater und Mutter machen wir zusammen« Ich meinte in Arans Gesicht eine gewisse Frustration zu sehen, doch als er den Arm um meine Schulter legte, mich zu sich heranzog, war davon nichts zu spüren. Letztendlich machte er sich trotzdem Sorgen. Vielleicht versuchte er sogar, mir zu glauben, dass da ein Fremder neben mir gestanden hatte. |
Zuletzt von Teleri am Mo 10 Jun 2013, 07:43 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet