Hallo!
Ich möchte euch einen Roman vorstellen, dessen Inhalt mich an "Nachtzug nach Lissabon", aber auch an "Der Schatten des Windes" erinnert. Nicht aufgrund der inhatlichen Thematik, sondern aufgrund der Erzählsprache und der Qualität. Dieser Autor könnte einer meiner Lieblingsautoren werden und ich bin froh über die bisher wenigen Übersetzungen ins Deutsche, die ich mir alle noch kaufen und lesen werde!
Klappentext
Elias Rukla, seit 25 Jahren Studienrat, macht im Unterricht eine aufregende Entdeckung. Dr. Relling in Ibsens "Wildente" hat eine ganz zentrale Funktion! Innerlich erregt von dieser Eingebung bittet er einen Schüler, die wenigen Einsätze Rellings laut zu lesen. Genervt blättern alle vor und zurück. Der Unterricht wird zur Qual. Das erlösende Klingeln ertönt, Rukla atmet erleichtert auf. Als sich auf dem Pausenhof sein Regenschirm nicht öffnen lässt, verliert er die Haltung, er trampelt darauf herum, beschimpft dabei die gaffenden Schüler aufs Wüsteste. Und er weiß, er will nicht mehr in sein altes Leben zurückkehren, seine Scham über den Verlust der Würde ist zu groß.
Zum Inhalt
Elias Rukla tut, was er tuen muss, was von ihm verlangt wird. Er führt ein unauffälliges Leben und ist in sich gefangen. Seine Person ist unspektakulär. Er lebt in seiner eigenen Welt, hat Verständnis für seine Schüler und doch auch wieder nicht. Er verliert sich während des Unterrichts in einer Erregung über die Entdeckung einer eigentlichen Nebenfigur in Ibsens "Wildente", die sich jedoch als Hauptfigur herausstellt - jedenfalls unter seiner Interpretation. Davon völlig eingenommen und begeistert, versucht er seine Schüler darauf aufmerksam zu machen, die dafür allerdings nur ein müdes Gähnen übrig haben. Rukla gibt schließlich auf und die Dinge nehmen ihren Lauf.
Er hat an diesem trüben Montagmorgen nur die beiden Norwegischstunden und dann frei. Erleichtert rennen seine Schüler in die Pause und er auf den Pausenhof, wo sich sein Regenschirm nicht öffnen lässt und Rukla daraufhin ausrastet. All seine Wut, seine Unfähigkeit, sein verdammtes Leben kommen ihm hoch und er zertrümmert im Wahn den Regenschirm. Doch er vergreift sich auch im Ton den "gaffenden" Schülern gegenüber, die solch einen Rukla noch nie gesehen haben und angewidert und gleichzeitig auch angetan sind von ihm, und wird verbal absolut ausfallend. Als er begreift, was er da getan hat, ist er zutiefst enttäuscht und kann endlich auf die Suche gehen, warum es dazu überhaupt gekommen ist.
Zur Aufteilung des Romans
Ich hatte eigentlich etwas völlig anderes erwartet, nämlich den Ausraster und das dann folgende Leben, ähnlich wie bei Gregorius (Nachtzug nach Lissabon). Doch der Leser erfährt nicht, wie es am Tag x nach diesem Fehltritt weitergeht, wie er damit umgeht, wie die Schüler damit umgehen, ob es Konsequenzen hat, etc! Nein, der Leser erfährt, wie es dazu kommen konnte, was in Ruklas Leben vorgefallen ist, was das hervorrufen konnte. Und dann beginnt die Geschichte im Grunde genommen mit einem Rückblick, der aber fast in Echtzeit erzählt wird, einem also gar nicht wie eine Rückblende vorkommt. Was war Rukla für ein Jugendlicher, was für Freunde hatte er, was für ein Mensch ist er geworden? Das sind die zentralen Dinge, die dem Leser klarmachen, warum Rukla wie Rukla ist und nicht anders. Anfangs war ich enttäuscht über die Erkenntnis, dass es ganz anders weitergeht, als ich erwartet habe. Seine Frau wird eingeführt, sein bester Freund, ebenfalls. Seine Liebe zur Literatur und Philosophie. Man lernt Rukla in- und auswendig kennen. Man denkt mit ihm, man geht mit ihm, man handelt mit ihm, man versteht ihn oder lernt ihn zu verstehen - was in diesem Kopf vorgeht, warum er so und nicht anders entscheidet.
Der Roman ist also so aufgebaut, dass man die Katastrophe zu Beginn erfährt und dann das Leben Ruklas präsentiert bekommt, um nachvollziehen zu können.
Meine Meinung
Ich bin begeistert von der Erzählsprache. Ebenso davon, dass es in diesem Buch auch um Literatur, Romanfiguren und deren Interpretation geht, um Klassiker und Schriftsteller, etc. Rukla ist Philosoph. Der Autor gibt tiefste Einblicke in die menschliche Seele, wie und warum Rukla sich so verhält. Die Sprache ist unglaublich treffend und passend. Die Übersetzung wirklich sehr, sehr gut gelungen. Es geht um Ruklas Existenz, die für ihn mit diesem Tag erloschen ist. Er akzeptiert keine Entschuldigung, kein Verzeihen. Jedem anderen hätte das passieren können, nur ihm nicht. Nein, jedem anderen hätte es passieren dürfen, nur ihm nicht! Man hat beim Lesen das Gefühl Rukla selbst zu sein, so authentisch ist seine Gedankenwelt wiedergegeben. Es ist unglaublich einfach, ihm zu folgen, ihn zu verstehen und doch ist es ebenso unglaublich, was für ein im Grunde resignierender Mitläufer Rukla ist.
Mein Fazit
Ganz klar ***** Sterne! Endlich mal wieder Anspruch. Die Sprache ist schön und einfach, aber man muss wirklich lesen, auch zwischen den Zeilen, um aus der Einfachheit herauszufiltern, was Rukla für ein Mensch ist und warum er so geworden ist. So einfach wie einem die Lektüre anfänglich vorkommt, sie entpuppt sich als nicht ganz so leichte Kost! Dieser Roman gibt dem Leser viel mehr, als das Leben einer Romanfigur, nein, man lernt zu begreifen, was Scham und Würde ist, was ein Leben nachhaltig prägen und beeinflussen kann, was für innerliche Konsequenzen Ausrutscher haben können und wie unterschiedlich Menschen damit umgehen. Man kann in eine Seele blicken, in die Gedankenwelt und in das Leben eines Menschen, als wäre es das des Nachbarn von nebenan.
Und nun viel Freude beim Lesen!
(c) Tanja Küsters
Ich möchte euch einen Roman vorstellen, dessen Inhalt mich an "Nachtzug nach Lissabon", aber auch an "Der Schatten des Windes" erinnert. Nicht aufgrund der inhatlichen Thematik, sondern aufgrund der Erzählsprache und der Qualität. Dieser Autor könnte einer meiner Lieblingsautoren werden und ich bin froh über die bisher wenigen Übersetzungen ins Deutsche, die ich mir alle noch kaufen und lesen werde!
Klappentext
Elias Rukla, seit 25 Jahren Studienrat, macht im Unterricht eine aufregende Entdeckung. Dr. Relling in Ibsens "Wildente" hat eine ganz zentrale Funktion! Innerlich erregt von dieser Eingebung bittet er einen Schüler, die wenigen Einsätze Rellings laut zu lesen. Genervt blättern alle vor und zurück. Der Unterricht wird zur Qual. Das erlösende Klingeln ertönt, Rukla atmet erleichtert auf. Als sich auf dem Pausenhof sein Regenschirm nicht öffnen lässt, verliert er die Haltung, er trampelt darauf herum, beschimpft dabei die gaffenden Schüler aufs Wüsteste. Und er weiß, er will nicht mehr in sein altes Leben zurückkehren, seine Scham über den Verlust der Würde ist zu groß.
Zum Inhalt
Elias Rukla tut, was er tuen muss, was von ihm verlangt wird. Er führt ein unauffälliges Leben und ist in sich gefangen. Seine Person ist unspektakulär. Er lebt in seiner eigenen Welt, hat Verständnis für seine Schüler und doch auch wieder nicht. Er verliert sich während des Unterrichts in einer Erregung über die Entdeckung einer eigentlichen Nebenfigur in Ibsens "Wildente", die sich jedoch als Hauptfigur herausstellt - jedenfalls unter seiner Interpretation. Davon völlig eingenommen und begeistert, versucht er seine Schüler darauf aufmerksam zu machen, die dafür allerdings nur ein müdes Gähnen übrig haben. Rukla gibt schließlich auf und die Dinge nehmen ihren Lauf.
Er hat an diesem trüben Montagmorgen nur die beiden Norwegischstunden und dann frei. Erleichtert rennen seine Schüler in die Pause und er auf den Pausenhof, wo sich sein Regenschirm nicht öffnen lässt und Rukla daraufhin ausrastet. All seine Wut, seine Unfähigkeit, sein verdammtes Leben kommen ihm hoch und er zertrümmert im Wahn den Regenschirm. Doch er vergreift sich auch im Ton den "gaffenden" Schülern gegenüber, die solch einen Rukla noch nie gesehen haben und angewidert und gleichzeitig auch angetan sind von ihm, und wird verbal absolut ausfallend. Als er begreift, was er da getan hat, ist er zutiefst enttäuscht und kann endlich auf die Suche gehen, warum es dazu überhaupt gekommen ist.
Zur Aufteilung des Romans
Ich hatte eigentlich etwas völlig anderes erwartet, nämlich den Ausraster und das dann folgende Leben, ähnlich wie bei Gregorius (Nachtzug nach Lissabon). Doch der Leser erfährt nicht, wie es am Tag x nach diesem Fehltritt weitergeht, wie er damit umgeht, wie die Schüler damit umgehen, ob es Konsequenzen hat, etc! Nein, der Leser erfährt, wie es dazu kommen konnte, was in Ruklas Leben vorgefallen ist, was das hervorrufen konnte. Und dann beginnt die Geschichte im Grunde genommen mit einem Rückblick, der aber fast in Echtzeit erzählt wird, einem also gar nicht wie eine Rückblende vorkommt. Was war Rukla für ein Jugendlicher, was für Freunde hatte er, was für ein Mensch ist er geworden? Das sind die zentralen Dinge, die dem Leser klarmachen, warum Rukla wie Rukla ist und nicht anders. Anfangs war ich enttäuscht über die Erkenntnis, dass es ganz anders weitergeht, als ich erwartet habe. Seine Frau wird eingeführt, sein bester Freund, ebenfalls. Seine Liebe zur Literatur und Philosophie. Man lernt Rukla in- und auswendig kennen. Man denkt mit ihm, man geht mit ihm, man handelt mit ihm, man versteht ihn oder lernt ihn zu verstehen - was in diesem Kopf vorgeht, warum er so und nicht anders entscheidet.
Der Roman ist also so aufgebaut, dass man die Katastrophe zu Beginn erfährt und dann das Leben Ruklas präsentiert bekommt, um nachvollziehen zu können.
Meine Meinung
Ich bin begeistert von der Erzählsprache. Ebenso davon, dass es in diesem Buch auch um Literatur, Romanfiguren und deren Interpretation geht, um Klassiker und Schriftsteller, etc. Rukla ist Philosoph. Der Autor gibt tiefste Einblicke in die menschliche Seele, wie und warum Rukla sich so verhält. Die Sprache ist unglaublich treffend und passend. Die Übersetzung wirklich sehr, sehr gut gelungen. Es geht um Ruklas Existenz, die für ihn mit diesem Tag erloschen ist. Er akzeptiert keine Entschuldigung, kein Verzeihen. Jedem anderen hätte das passieren können, nur ihm nicht. Nein, jedem anderen hätte es passieren dürfen, nur ihm nicht! Man hat beim Lesen das Gefühl Rukla selbst zu sein, so authentisch ist seine Gedankenwelt wiedergegeben. Es ist unglaublich einfach, ihm zu folgen, ihn zu verstehen und doch ist es ebenso unglaublich, was für ein im Grunde resignierender Mitläufer Rukla ist.
Mein Fazit
Ganz klar ***** Sterne! Endlich mal wieder Anspruch. Die Sprache ist schön und einfach, aber man muss wirklich lesen, auch zwischen den Zeilen, um aus der Einfachheit herauszufiltern, was Rukla für ein Mensch ist und warum er so geworden ist. So einfach wie einem die Lektüre anfänglich vorkommt, sie entpuppt sich als nicht ganz so leichte Kost! Dieser Roman gibt dem Leser viel mehr, als das Leben einer Romanfigur, nein, man lernt zu begreifen, was Scham und Würde ist, was ein Leben nachhaltig prägen und beeinflussen kann, was für innerliche Konsequenzen Ausrutscher haben können und wie unterschiedlich Menschen damit umgehen. Man kann in eine Seele blicken, in die Gedankenwelt und in das Leben eines Menschen, als wäre es das des Nachbarn von nebenan.
Und nun viel Freude beim Lesen!
(c) Tanja Küsters