Pooly's Kunst und Schreibforum

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    Beitrag von IamChasingKeanu Mi 05 Dez 2012, 11:39

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    Rot. Weiß. Schwarz. Ich male dieses und jenes zuweilen auf meine Leinwände. Nie das Gleiche. Immer neu zerlege ich die Strukturen in meinem Inneren, um sie als frischgeborenes Ganzes auf die weiße Fläche zu pinseln. Leben soll dort beginnen, wo ich mit meinem Werkzeug ansetze. Ob Einkehr oder Stille. Ob Krieg oder blutige Revolution. Ich will der Anfang und das Ende sein.
    Schwarz sind die Schatten, wenn sie über den Boden zu mir kriechen, ihre Hände nach mir ausstreckend. Es verwundert mich, wenn sie mich mit meinen Augen betrachten. Wer hat dann mehr Angst? Ich vor der Angst, oder die Angst am Ende vor mir?
    Leise trifft er auf, malt dunkle Blätter, Äste und Zweige, welche wie feine Knochen ein Gerippe skizzieren.
    Weiß ist die Trauer, die unumkehrbare Vergangenheit. Eine endliche Welt, wie im Fiebertraum. Du willst noch so viel länger träumen als diese paar Sekunden Unendlichkeit.
    Strich um Strich verrückst du die Welt. Formst Körper nach deinem Ebenbild, vergisst was es heißt gefangen zu sein, entsinnst dich, dass es mehr gibt als das Blanke und die Schatten darum. Trage Farbe auf. Aber nur eine einzige, welche irgendwo in dir verschlossen liegt. In deinen Venen, still und leise.
    Mit dem verlängerten Finger, aus dem es quillt, ziehe ich nun über die Fläche. Zeige, dass die Wahrheit irgendwo zwischen Weiß und Grau verborgen liegt. Und irgendwo dort in den Linien, die ich niemals malen werde.
    Denk an dich. An den Pinsel. Die Leinwand. Jene, die bald vor dem Bild stehen. Darüber reden. Es mitnehmen. Es bei sich tragen. Es nie wieder hergeben. Denk an deine Herkunft. Dein Leben. Deine Freunde. Bekannte. Vertraute. Vorbeihuschende Gesichter. Denk an Anfänge. Denk an Gescheiterte. Denk an Lebenskünstler. Genutzte Chancen. Verwirkte Chancen. Denk an den Himmel. Denk an die Hölle. Als hätte es sie jemals woanders als in dir gegeben. Nimm das alles - den roten Fluss, der eine Brücke ins Diesseits schlägt - und lasse ihn aufs Pergament.
    Ich forme Körper nach meinem Bilde. Körper von Rot, Weiß, Schwarz. Es sind nie die gleichen. Immer neu zerlege ich ihre Strukturen in meinem Kopf, um sie verändert auf die Fläche zu projizieren. Schwarz ist für den Hass, Weiß ist für die Trauer, Rot für das Leben, welches sich aufmacht zu sein.
    Verwundert schaue ich nun auf die Leinwand. Betrachte meine Facette. Meine Nase. Meinen Mund. Schaue tief in die Augen. Erkenne die Seele und das unsterbliche Leben darin. Ich bin - aber das ist nur eine von vielen Möglichkeiten zu existieren. Ein kurzer Gedanke, der zur Einsicht führt.
    Leben beginnt dort in der Spitze meines Pinsels und breitet sich langsam von dort aus. Ob Einkehr oder Stille. Ob Krieg oder blutige Revolution.
    Ich bin der Anfang und ich bin das Ende.
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    Beitrag von Vampirmaedchen Fr 14 Dez 2012, 21:13

    Hallo Michael!

    Endlich wieder eine Prosa von dir zu lesen ist richtig schön :}
    Und wieder das gleiche Problem bei mir, wie immer *lach* Ich finde deine geschriebenen Worte wirklich wunderschön, doch der Inhalt deiner Prosa will sich mir noch nicht so öffnen. Auch, wenn ich am Anfang dachte, dass der Künstler, also das 'Lyrische-Ich' - obwohl du ja gar keine Lyrik hier schreibst ... hach, ich fühl mich so dumm gerade x_x - ein Künstler ist und sich Gedanken über den Pinsel und die Welt macht. Aber da du ja später schreibst, wie er an den Pinsel denkt und ja ... Menno. Ich weiß echt nicht, was ich da sagen soll >.<

    Ich hab die Prosa auf alle Fälle sehr gerne gelesen (:

    Liebe Grüße,
    Vee
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    Beitrag von IamChasingKeanu Mo 17 Dez 2012, 16:48

    Betrachte dein Leben als eine Leinwand. Du bemalst sie. Du formst das was darauf kommt. Du bist der Ursprung. Stell dir vor, sie ist vielleicht schon von Anfang an zerüttet, so kannst du doch mit ein wenig mehr Farbe leben in dein Leben bringen. Ein Leben ist ein Kunstwerk, eine Möglichkeit. Auch du bist eine Möglichkeit. Du formst dich. Wie hier der Künstler, er malt ein Selbstporträt, formt sich, wie er sich sieht, und wirft sich selbst auf die Leinwand. Du bist ein Kunstwerk. Der Künster ist also, so wie sein Kunstwerk selbst ein Ding aus mehreren Bestandteilen, dass es zu formen gilt. Kunstwerk und Schaffender sind insofern gleichgestellt.
    Weiterhin gilt aber auch, dass Kunst ein Ausdruck von Gefühlen sind. Im Grunde hätte der Künstler jede Farbe benutzen können, aber er benutzt diese Farben aus einem Gefühl heraus. Es ist schon affektiv. Wie Notwehr. Es ist wie ein Strom, der aus ihm fließt, und mit dem Pinsel gebändigt wird.
    Kunst ist also auch eine Art von Reflektion. Es steckt nämlich mehr hinter den besagten Gefühlen. Man denkt über sich und die Welt und seine Stellung darin nach. Wir werden nämlich durch unser Umfeld geformt usw.
    Wie du siehst ist es also eine ganze Kette von Verstrickungen, die uns zu dem Wesen machen, das wir sind.

    Man könnte hieraus natürlich den Schluss ziehen, dass man bei all diesen Verkettungen eigentlich gar keine Macht mehr hätte, weil wir scheinbar durch so vieles beeinflusst sind. Jedoch ist es so, dass wir gerne der Anfang und das Ende von den Dingen sind, die uns betreffen. Wir wollen Verantwortung, wollen unser Leben und uns formen.

    Bei jedem geht das anders aus. Ob es jetzt andere Farben sind, ob er siegt, oder ob derjenige scheitert. Am Ende steht man vor der Leinwand mit ein paar Farben zur Hand.

    Bilder werden ausgestellt. Leute betrachten sie. Lassen es auf sich wirken. Tragen die Erinnerung daran mit sich herum und auf diese Weise lebt ein Künstler um einiges länger. Meiner Meinung nach gilt das für alles Künsterlische. Es ist eben mehr als die Summe der Teile.
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    Beitrag von Tikali Mi 02 Jan 2013, 17:15

    Immer neu zerlege ich die Strukturen in meinem Inneren, um sie als frischgeborenes Ganzes auf die weiße Fläche zu pinseln. Leben soll dort beginnen, wo ich mit meinem Werkzeug ansetze. Ob Einkehr oder Stille. Ob Krieg oder blutige Revolution. Ich will der Anfang und das Ende sein.

    Ich finde deinen Schreibstil zum Abknutschen toll!!!! Echt? Jaah

    Inhaltlich gesehen kann ich die Reflexion nachvollziehen, ein Künstler erschafft sich seine eigene Welt, wobei der Künstler im Text das Malen eher als "Spiegelbild" verwendet. Ich finde, Malen kann man da auch als Metapher für unser Leben auslegen. Interessant, wie negativ der Künstler sein Leben sieht... Ich will hier aber nicht deine Erklärung herunterbeten, dein Text wirkt wie eine Filmszene auf mich, er schafft eine ganz besondere Stimmung und regt zum Nachdenken an, mit Sätzen, wie:

    Zeige, dass die Wahrheit irgendwo zwischen Weiß und Grau verborgen liegt. Und irgendwo dort in den Linien, die ich niemals malen werde.

    Wäre Faust ein Maler gewesen, hätte das von ihm stammen können! (Keine Ahnung wie ich jetzt drauf komme...)


    Das allereinzige was mich persönlich stört, ist die Wiederholung der Bedeutung der Farbe Weiß, genau genommen, das hier:

    "...Weiß ist für die Trauer, Rot für das Leben, welches sich aufmacht zu sein. "

    Aber das ist Inasche Erbsenzählerei. Wink

    Generell hat mir das echt richtig gut gefallen!!! Anhimmel
    Danke fürs Teilen!
    Ich glaube, ich trage die Erinnerung das Gelesene jetzt auch mit mir herum!

    LG Ina
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    Beitrag von IamChasingKeanu Fr 11 Jan 2013, 23:15

    Wenn du es mit dir herumträgst, dann freut es mich sehr und Danke für dein Lob. (auch wenn ich den Vergleich mit Goethe nicht mitgehen kann^^)
    Was ich versuche mit so kurzen Texten zu bewerkstelligen ist, eine sehr dichte Atmosphäre mit Worten zu erschaffen, ein Kleinod soll es sein, eine Welt bestehend aus der tiefen Gefühlswelt der darin befindlichen Charaktere. Es stimmt schon, dass er das in dem Text sehr düster sieht, ich denke aber, das ist eher eine situationsbezogene Sache. Man fühlt sich nicht immer gleich. Als Kunstschaffender kann es sein, dass Kunst auch als Ventil benutzt werden kann. Ich dachte also nicht nur an eine Reflektion, sondern auch an das Ventil dahinter. Der Künstler fühlt sich dreckig, "kotzt" sich also mehr oder weniger auf der Leinwand aus, tut dies aber mit mit gezielten Mitteln. Daher kommen die düsteren Emotionen zu Stande. Grelle Neonfarben wären an sich auch möglich gewesen, hätte mich, wenn ich ehrlich bin, aber nicht so interessiert, mal schauen.

    Auch meine Texte müssen nicht immer in der selben "Farbe" sein. Wink

    Insofern,

    schöne Grüße und Danke für dein Kommentar.

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